Quelle: HBS
Service aktuellSicherheit im Wandel schaffen: Ungleiche Verteilung von Transformationssorgen
WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch erklärt, was zu tun ist, um das Vertrauen in die Demokratie zu stärken und Beschäftigen Sorgen vor der Transformation zu nehmen.
[27.01.2025]
Der sozial-ökologische Wandel und die Digitalisierung führen zu massiven Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt. Das geht auch an den Beschäftigten nicht spurlos vorbei. Eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI), die die Einstellungen von Beschäftigten in zehn europäischen Ländern vergleicht, zeigt: Rund die Hälfte der Beschäftigten sorgt sich, dass Transformationsprozesse ihre berufliche Laufbahn negativ beeinflussen können.
In unserer Befragung wurde allerdings auch deutlich, dass diese Transformationssorgen sehr ungleich verteilt sind. Das Einkommen spielt dabei eine große Rolle. In vielen Ländern machen sich Arbeitnehmer*innen mit geringeren Haushaltseinkommen mehr Sorgen als solche mit höheren Einkommen. Die ungleiche Verteilung der Transformationssorgen sticht in Deutschland besonders hervor.
Gruppen mit geringen Einkommen – unabhängig von Branche und Betriebsgröße – sorgen sich verstärkt über die Auswirkungen der Transformation. Ein Grund dafür könnte das stark verbreitete Gefühl sein, aufgrund geringer materieller Ressourcen den Arbeitsmarktveränderungen besonders ausgeliefert zu sein. Arbeitnehmer*innen hingegen mit mehr materiellen Ressourcen zeigen sich weniger besorgt über die Zukunft ihrer Karriere aufgrund von Transformationen. Insbesondere, wenn sie sich darüber hinaus in Entscheidungsprozesse einbezogen fühlen, an ihrem Arbeitsplatz Selbstwirksamkeit empfinden und ein kooperatives Betriebsklima wahrnehmen.
In allen Ländern stehen die Sorgen über die Auswirkungen der Digitalisierung und der Klimapolitik auf die Berufsaussichten in einem Zusammenhang mit Einstellungen zur Demokratie. So finden Befragte mit Job-Sorgen etwa die Demokratie weniger wichtig und sind deutlich unzufriedener mit ihr. Sie haben ein geringeres Vertrauen in nationale Institutionen und in die EU. Zudem teilen sie häufiger populistische und migrationsfeindliche Einstellungen. Offensichtlich sind populistische und extrem rechte Parteien sehr erfolgreich darin, Transformationsängste für sich zu mobilisieren, da auch die Parteipräferenz für eine extrem rechte Partei unter Job-Besorgten wegen der Transformation in einigen Ländern erhöht ist. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt in Deutschland. Es scheint, als trauen viele deutsche Beschäftigte den Institutionen des Arbeitsmarktes und des Sozialstaates nicht zu, sie ausreichend vor den Risiken der Transformation zu schützen. Hierzulande gefährden Job-Sorgen im Zusammenhang mit Klimaschutzmaßnahmen zudem besonders die Demokratie. Sie schlagen häufig in Unzufriedenheit mit und Abkehr von Demokratie, Misstrauen gegenüber zentralen Akteuren und abwertende Einstellungen um.
Es ist daher dringend geboten, politische Maßnahmen zu ergreifen, die diesem Vertrauensverlust etwas entgegenstellen und den Beschäftigten Sicherheit in der Zeit tiefgreifender Transformationen geben. Hierzu gehört neben einer aktiven Industriepolitik, die Arbeitsplätze sichert, eine mitbestimmte Gestaltung der Transformation, um Beschäftigte auch in Zeiten des Wandels im Arbeitsmarkt halten zu können.
Prof. Dr. Bettina Kohlrausch ist die Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung.
Weitere Informationen
How work shapes democracy – WSI Study Nr. 40
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