Quelle: HBS
Magazin Mitbestimmung: Editorial
Hauptsache schnell!
Von Kay Meiners
Kay-Meiners@boeckler.de
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
als aufregendes Medienereignis erschien die letzte Bundestagswahl im Jahr 2002 den Zeitgenossen - spannend bis zur letzten Minute. Aus heutiger Sicht war sie ganz unspektakulär: Kein Verfassungsgericht hatte über die Zulässigkeit der Wahl zu entscheiden, der Termin stand lange im Voraus fest, und auch das Parteienspektrum war das seit Jahrzehnten vertraute. Pah, wie langweilig! Auf Drängen des Kanzlers und mit dem Segen der Verfassungsrichter ist die Wahl vorgezogen worden. Und die Linkspartei stürzt die regierende SPD in einen "Zweifrontenkampf", wie sie ihn, so die Frankfurter Rundschau, "das letzte Mal in der Frühgeschichte der Bonner Republik gegen die Union und die KPD zu bestehen hatte."
In gleichem Maße steigen die Chancen der CDU/CSU, zusammen mit der FDP die Regierung übernehmen zu können. Angela Merkel könnte Kanzlerin werden, nachdem der Spitzenkandidat Stoiber beim letzten Mal durchgefallen ist. Erstmals seit den 60er Jahren wird aber auch wieder über eine große Koalition nachgedacht. Für viele ist keine der Alternativen überzeugend. Sie erwarten wenig von dieser Wahl, wie Andreas Molitor in seinem Beitrag über die Arbeit der Demoskopen schreibt. (Seite 24) Hauptsache, schnell!" - das scheint die Devise dieser Wahlen zu sein. Für die rot-grüne Koalition werden sie indessen "eine Katastrophe", wie Oskar Negt im Interview feststellt. (Seite 28)
Das Hauptthema der Wahlen ist die hohe Arbeitslosigkeit, nicht die Mitbestimmung. Doch mit ihrem Konzept für Lohnverhandlungen im Betrieb haben die CDU/CSU und die FDP beide Themen miteinander verquickt, sie fordern die Gewerkschaften heraus. Auch bei der Mitbestimmung im Aufsichtsrat sind Einschnitte zu befürchten - bei der FDP ist dies sicher, bei der CDU/CSU ist es wahrscheinlich, auch wenn Ronald Pofalla, ihr wirtschaftspolitischer Sprecher, sich alle Mühe gibt, harmlos zu erscheinen. (Seite 10). Die Mitbestimmung entscheidet nicht die Wahl. Aber nach der Wahl wird über die Zukunft der Mitbestimmung entschieden - in Kommissionen und Kabinetten. Das sollten wir bedenken.