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HBS Böckler Impuls

Arbeitswelt: Arbeiten nach der ökologischen Wende

Ausgabe 10/2015

Eine globale ökologische Katastrophe lässt sich nur abwenden, wenn sich die Art des Wirtschaftens ändert. Das wird Folgen für die Arbeitswelt haben – und erfordert neue Strategien, um Mitspracherechte und Einkommen der Arbeitnehmer zu sichern.

Zwei Stichworte prägen die ökologische Zukunftsdebatte: „Green Economy“ und „Postwachstumsgesellschaft“. Was ist damit gemeint? Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie erläutert die konkurrierenden Konzepte. Die Anhänger der Green Economy setzen demnach auf technologische Innovationen, um das bestehende Wirtschaftsmodell umweltverträglicher zu machen: weniger Energie- und Rohstoffverbrauch, weniger Abfall und Luftverschmutzung. Die Wirtschaft wachse weiter, aber die Umweltbelastung gehe zurück. Wohlstand und „Naturverbrauch“ werden entkoppelt, ökologischer Umbau werde selbst zum ökonomischen Wachstumsprogramm. Der Bau von Elektroautos, Solarzellen, Windrädern, energieeffizienten Gebäuden, Stromnetzen oder Kraftwerken schafft neue Arbeitsplätze.

Vertreter der Postwachstumsgesellschaft melden jedoch Zweifel an. Ihr Argument: Selbst wenn Produkte und Herstellungsverfahren umweltfreundlicher werden, machten steigende Produktionsmengen und Ansprüche der Konsumenten die Effizienzgewinne zunichte. Das zeige sich am Beispiel Auto. Den technologischen Fortschritten bei der Konstruktion von Motoren stehen ständig wachsende Leistungsanforderungen gegenüber, so dass die Fahrzeuge letztlich kaum sparsamer werden. „Hätte ein VW Golf heute nur so viel PS wie ein VW Käfer von 1955, wären wir schon längst beim Ein-Liter-Auto angelangt“, erklärt Schneidewind. Ein weiteres Beispiel ist das Wohnen: Zwar ließen sich Gebäude heute effizienter heizen und wirkungsvoller dämmen als vor 30 Jahren. Wenn die Wohnfläche pro Einwohner aber ständig ansteigt, ist der Gesamteffekt gering. Und in Umweltfragen reiche es nicht, den Blick auf das eigene Land zu richten: Wenn die neuen Mittelschichten in Schwellen- und Entwicklungsländern in puncto Lebensstandard mit den Industrieländern gleichziehen wollen, werde das auch bei verbesserter Technik nicht ohne massiven zusätzlichen Ressourcenverbrauch gehen. So sehen Wachstumskritiker die einzige Lösung in „genügsamen, entmaterialisierten Lebensstilen“. Fahrrad statt Geländewagen, Muße und Bildung statt Konsum.

„Die ökologische Zukunft“, so die Prognose des Umwelt- und Wirtschaftsexperten Schneidewind, „wird von beiden Elementen – einer Green Economy und Postwachstumskulturen – geprägt sein“. Der Wissenschaftler spricht von einer „doppelten Entkopplung“.

Egal, welche Richtung stärker zum Zuge kommt: Deutliche Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben beide Varianten. Was Green Economy bedeutet, war Schneidewind zufolge in den vergangenen Jahren bei den regenerativen Energien zu beobachten. An die Stelle der Großunternehmen traten dezentrale Strukturen. Kleine und mittlere Unternehmen zahlen aber meist niedrigere Löhne; der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist geringer. „Eine radikal dezentralisierte Wirtschaft wird diese Herausforderungen verschärfen“, so der Wissenschaftler. „Selbstunternehmertum, lebenslanges Lernen und wachsende Flexibilität“ würden die Arbeit der Zukunft in einer kleinteiligen, hochtechnologischen Wirtschaft prägen.

„Noch gravierender“ dürften die Konsequenzen der Postwachstumsökonomie ausfallen, schreibt Schneidewind und verweist auf Zukunftsmodelle, in denen Erwerbsarbeit eine wesentlich geringere Rolle spielen wird. So gibt es etwa den Entwurf einer 20-Stunden-Gesellschaft, in der an die Stelle heutiger Vollzeitarbeit 20 Stunden wöchentlicher Erwerbsarbeit und 20 Stunden „Eigenversorgungs- und Sozialarbeit außerhalb klassischer ökonomischer Messung“ treten. Die „Wahrung und Gestaltung von Arbeitnehmerinteressen“ werde in einem solchen Szenario noch einmal schwieriger. Der Arbeitsbegriff müsse weiter gefasst werden als bisher. Und die Arbeitsbedingungen würden nicht mehr nur auf Betriebs- oder Branchenebene ausgehandelt. Insgesamt dürfte der Staat wegen zunehmender umwelt- und sozialpolitischer Anforderungen eine größere Rolle spielen. Zudem, so Schneidewind, würden neue zivilgesellschaftliche Bündnisse wichtig – etwa zwischen Gewerkschaften, Sozial- und Umweltorganisationen.

  • Auch Umweltschutz schafft Arbeitsplätze. Zur Grafik

Uwe Schneidewind: Umwelt und Nachhaltigkeit als Transformationsriemen für die Arbeit der Zukunft, in: Reiner Hoffmann, Claudia Bogedan (Hrsg.): Arbeit der Zukunft – Möglichkeiten nutzen, Grenzen setzen, Campus Verlag, Frankfurt/New York 2015

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