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Berichtszeitraum 1. Oktober - 31. Dezember 2019: Newsletter zum Europäischen Arbeitsrecht

Der 28. Ausgabe des HSI-Newsletters liegt der Berichtszeitraum Oktober bis Dezember 2019 zugrunde.

Aus den aktuellen Entscheidungen des EuGH rückt in dieser Ausgabe die Rs. Pensions-Sicherungs-Verein (C-168/18) in den Fokus. Bei diesem auf eine Vorlage des BAG ergangenen Urteil geht es um die Frage, ob der Pensions-Sicherungs-Verein auch für Einstandszahlungen eines insolventen Arbeitgebers aufkommen muss, die dieser zum Ausgleich einer Leistungskürzung durch eine Pensionskasse gezahlt hatte. Wir danken Kerstin Schminke, Expertin für Fragen der betrieblichen Altersversorgung in der IG Metall Vorstandsverwaltung, dass sie diese Entscheidung in ihrer Anm. unter II. aufbereitet hat.

Das vergangene Quartal hatte daneben einige weitere relevante Urteile und Schlussanträge zu bieten. Kein gutes Signal für den europäischen Sozialpartnerdialog ist dabei der Ausgang der Rs. EPSU und Goudriaan/Kommission, in der das Europäische Gericht erstinstanzlich festgestellt hatte, dass die Kommission nicht verpflichtet sei, eine von den europäischen Sozialpartnern im Rahmen des Sozialen Dialogs nach Art. 155 Abs. 2 AEUV ausgehandelte Vereinbarung in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Gegen die Entscheidung wurden zwischenzeitlich Rechtsmittel vor dem EuGH eingelegt (anhängig unter C-928/19 P). Sollte die Rechtsauffassung Bestand haben, würde die ohnehin schwierige Aushandlung von Kollektivvereinbarungen auf Unionsebene deutlich an Bedeutung einbüßen.

Weitere Urteile betreffen u.a. Fragen der Arbeitnehmerentsendung, der Anrechnung von Vordienstzeiten für die Entgelteingruppierung von Postdocs, der Befristungssituation an Hochschulen und dem Diskriminierungsschutz in rentenrechtlichen Angelegenheiten. Außerdem stellte der EuGH klar, dass bei einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit während eines tarifvertraglichen Zusatzurlaubs kein unionsrechtlicher Anspruch darauf besteht, dass der Arbeitgeber die betroffenen Urlaubstage gutschreibt (mit Ausnahme des vierwöchigen Mindestjahresurlaubs). Ein neuer Schlussantrag liegt in einem Verfahren zur Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung beim Zugang zu Beschäftigung vor. Zudem wird sich der EuGH auf eine Vorlage des BAG mit dem Insolvenzschutz für Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung nach einem Betriebsübergang befassen.
Die Große Kammer des EGMR hatte im Oktober über ein Rechtsmittel in der Rs. López Ribalda u.a. / Spanien (Nr. 1874/13 und 8567/13) entschieden, in der es um den Schutz vor verdeckter Videoüberwachung am Arbeitsplatz ging. Entgegen der vorangegangenen Kammerentscheidung (hierzu Jessolat, HSI-Newsletter 1/2018, Anm. unter III.) kam der EGMR nun zu dem Ergebnis, dass die verdeckte Video-Überwachung bei einem begründeten Verdacht auf Diebstahl nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt sei. Klaus Lörcher setzt sich in der Anm. unter III. eingehend mit dieser Entscheidung auseinander, wofür wir ihm besonders danken.

Außerdem hatte sich der EGMR mit einem Fall zur freien Meinungsäußerung im Arbeitsverhältnis befasst, in dem auf einer externen Internetseite betriebsinterne Angelegenheiten veröffentlicht und kritisiert wurden. Andere Fälle betrafen bspw. die Haftung des Staates für ein privatisiertes ehemaliges Staatsunternehmen, die rückwirkende Entziehung einer Altersrente und verfahrensrechtliche Fragen. Eine auch für das deutsche Recht interessante Beschwerde ist neu anhängig. Es geht hierbei um die Kündigung eines Arbeitnehmers, der beleidigende und menschenverachtende Äußerungen auf Facebook mit dem "Gefällt mir"-Botton bewertet hatte. Neu anhängig ist auch ein Verfahren zum Betriebsübergang, bei dem es um die Berücksichtigung der beim Betriebsveräußerer zurückgelegten Dienstzeiten geht.

Weitere aktuelle Entwicklungen im europäischen und internationalen Arbeitsrecht werden unter VI. ("Sonstige Informationen") dargestellt. Wie immer setzen europäische und internationale Institutionen in diesem Feld verschiedene Impulse. Der Rat der EU veröffentlichte seine Empfehlung zum Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer*innen und Selbstständige. Neue Schlussfolgerungen des Rats betreffen die Geschlechtergleichstellung und die Verbesserung von Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Über das Mobilitätspaket, mit dem die Arbeitsbedingungen von grenzüberschreitend tätigen Kraftfahrer*innen verbessert werden soll, wurde eine vorläufige Einigung erzielt. Ferner wurde der Zugang zu Verfahrensdokumenten und rechtswissenschaftlichen Dokumenten auf der Homepage des EuGH verbessert. Der ESC-Ausschuss wird sich in zwei neuen Beschwerdeverfahren mit dem Rentensystem Italiens befassen. Weiter hatte Deutschland seinen 2. und 3. Staatenbericht zur Umsetzung der UN-BRK eingereicht. Der UN-Menschenrechtsausschuss und der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hoben in einer Gemeinsamen Erklärung zur Vereinigungsfreiheit die Rechte von Gewerkschaften hervor. In einer neuen Entscheidung kam der EFTA-Gerichtshof zu dem Schluss, dass Elterngeld keine "Beschäftigungs- und Arbeitsbedingung" i.S.d. Gleichbehandlungsrichtlinie darstelle.

Quelle

Schminke, Kerstin; Lörcher, Klaus; Hlava, Daniel; Höller, Johannes; Klengel, Ernesto; Jessolat, Karsten; Bustami, Ammar: Newsletter zum Europäischen Arbeitsrecht
Newsletter zum Europäischen Arbeitrecht, 58 Seiten

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