Quelle: Gergross + Glowinski
Service aktuellNeujahrsempfang 2024: „Wir stehen für Euch bereit!“
Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi diskutierte mit der Unternehmerin Tijen Onaran über Diversität – und über die Verteidigung der Demokratie gegen Angriffe von extremen Rechten.
[23.01.2024]
Von Andreas Molitor
Wer gedacht hatte, dass ein scheinbar softes Leitthema wie „Digital, divers und demokratisch in die Zukunft“ zu einer weichgespülten Diskussions-Rhetorik verleiten könnte, sah sich beim Neujahrsempfang der Hans-Böckler-Stiftung angenehm enttäuscht. Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi und die Unternehmerin Tijen Onaran, Podiumsgäste beim traditionellen ersten Veranstaltungs-Highlight der Stiftung im Jahr, sparten nicht mit deutlichen, zuweilen sogar drastischen Worten. Und das lag zu einem guten Teil an jenen irrlichternden Gestalten, die definitiv nicht zu den Gästen zählten: Politische Mandatsträger der AfD, deren Partei sich derzeit im demoskopischen Höhenflug befindet, Reichsbürger und harte Neonazis, die mit Deportationsphantasien die demokratische Republik in Alarmstimmung versetzen und damit Hunderttausende Menschen zur Verteidigung der Demokratie auf die Straße bringen. „Ich habe Gänsehaut bekommen, als ich diese Bilder von den Demos gesehen hab‘“, sagte die sichtlich bewegte Tijen Onaran. Das Land steht auf – „und das macht mir Mut, weil Vielfalt sichtbar wird, so trist alles auch gerade scheint und so ätzend die News sind.“
Noch deutlicher an die Adresse der rechten Brandstifter wurde Yasmin Fahimi, als sie von „ekelhaften, menschenfeindlichen Säuberungsphantasien“ sprach. Die Antwort darauf sei eine, „auf die vielleicht viele hier schon gewartet haben, aber die doch so kraftvoll ausgefallen ist, wie man sich es kaum erhofft hat – nämlich dass Menschen sich für die Demokratie einsetzen, auf die Straße gehen und sagen: Es reicht!“ Künftig werde es darum gehen, „dass wir wirklich Kämpfe austragen“. Auch im Betrieb dürfe es „nicht weiter heißen: Politik hat hier nichts zu suchen.“
„Ein besseres Morgen ist möglich. Aber ihr müsst dafür kämpfen und wir stehen für euch bereit.“
Natürlich setzten die beiden Frauen unterschiedliche Akzente. Die Selfmade-Entrepreneurin Tijen Onaran, Tochter türkischer Einwanderer, die eine Zeitlang in der FDP politisch aktiv war, ist bislang nicht durch Gewerkschaftsnähe aufgefallen. Onaran, mittlerweile eine Art Popstar der Unternehmerinnen-Szene, zeigt im Gespräch ihr waches Gespür für Diskriminierung, Ungleichheit und mangelnde Vielfalt – von der Schule bis in die Vorstände von Start-Ups. Doch sie spricht auch gern von „Challenges“ und „Role models“ und predigt, dass wir in Deutschland „ganz dringend ein Narrativ des Aufstiegs“ brauchen, dass mit Mut und Hoffnung eine jede Frau es schaffen kann. „Das beste Investment, das meine Eltern mir mitgegeben haben, war immer an mich zu glauben.“
Mit Gründerinnengeist allein sei es nicht getan, betonte dagegen die DGB-Vorsitzende – und erinnerte nachdrücklich daran, dass die Verteilungskonflikte in diesem Land andere sind als die zwischen Mindestlohnempfängern und Bürgergeldbeziehern: „Wir dürfen nicht zulassen, dass man diese Menschen aufeinanderhetzt“, appellierte sie. In die Front der Verfechter dystopischer Szenarien mag sich auch Fahimi nicht einreihen. Deutschland könne es gelingen, „vom Krisenmodus in den Zukunftsmodus umschalten“, sagte sie. „Ein besseres Morgen ist möglich. Aber ihr müsst dafür kämpfen und wir stehen für euch bereit.“
Diese Botschaft hörten auch die beiden jungen Gäste auf dem Podium gern – Vanesa Varnica, Jugend- und Auszubildendenvertreterin bei Audi und der Böckler-Stipendiat Andrew Moussa. Und so hätte es kaum ein passenderes Schlusswort geben können als den Wunsch des in Kairo geborenen Journalisten Moussa: „Auch wenn ich jetzt nicht so wirklich fest daran glaube: Ich wünsche mir, dass 2024 ein Jahr sein wird, in dem alle Menschen sich in Deutschland sicher fühlen.“