Quelle: Annette Hornischer
Service aktuellEngineering- und IT-Tagung 2024: Die Macht der KI in Betrieben: Betriebsräte benötigen klare Regeln
In Hannover diskutierten Betriebsräte über den Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Die dramatischen Entwicklungen bei VW griff die Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, spontan auf.
[26.09.2024]
Von Gunnar Hinck
Die aktuellen Ereignisse bei VW schüttelten das Programm der Engineering- und IT-Tagung 2024 zum Thema „KI - Die letzte Revolution der Arbeitswelt?“, veranstaltet von der Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit der IG Metall am VW-Nutzfahrzeuge-Standort in Hannover, durcheinander. Zwei Tage zuvor hatte der VW-Vorstand unter anderem den Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung gekündigt und damit den Unmut unter den Beschäftigten weiter angeheizt.
Christiane Benner machte in ihrem Eingangs-Vortrag daher die klare Ansage, dass die IG Metall zusammen mit dem Betriebsrat gegen die Pläne des VW-Vorstands kämpfen wird: „Standortschließungen werden mit uns nicht zu machen sein!“ Und: „Die Beschäftigten sollen jetzt die Zeche zahlen für Managementfehler. Der Betriebsrat hatte immer wieder auf Probleme hingewiesen.“ Die IG-Metall-Chefin erwähnte in diesem Zusammenhang, dass es bei VW zu viele Hierarchien gebe – was der Betriebsrat immer bemängelt habe – und der Autobauer bis heute kein preisgünstiges E-Auto anbietet. „Wir stehen vor erbitterten Auseinandersetzungen“, rief sie unter dem donnernden Applaus der gut 200 teilnehmenden Betriebsräte. Es folgte eine Solidaritätsaktion mit gemeinsamem Foto.
Danach ging es um das eigentliche Thema der Tagung, um KI. Drei Aspekte kristallisierten sich dabei heraus: Wie Künstliche Intelligenz von der Mitbestimmung gestaltet und reguliert werden kann; wie eine faire und ethische KI gebaut werden kann; und dass – wie Claudia Bogedan, die Geschäftsführerin der Hans-Böckler-Stiftung betonte – die unterschiedlichen Arten von Künstlicher Intelligenz nicht in einen Topf geworfen werden dürfen.
Ralf Müller, Betriebsrat beim Windkraftanlagen-Hersteller Enercon, brachte es auf den Punkt: „KI ist nicht KI. Eine KI zur Leistungskontrolle ist etwas anders als eine KI zur Qualitätskontrolle.“ Er regte eine Klassifizierung der verschiedenen KI-Typen an, damit sich Betriebsräte besser auf die jeweiligen Tools und Programme einstellen können.
Christian Klempert, Konzernbetriebsrat bei Airbus betonte die positiven Seiten der KI angesichts des Fachkräftemangels. Bei Airbus Hamburg kommt bereits eine KI zum Einsatz, die zum Beispiel die Bezüge der Passagiersitze der Flugzeuge auf Fehler scannt. „Das entlastet die Beschäftigten von einfachen, repetitiven Tätigkeiten, und sie können sich für komplexere, überwachende Tätigkeiten qualifizieren“, sagte Christian Klempert.
Deutlich wurde während der zwei Tage, dass es den Betriebsräten in der Praxis weniger um die Technik an sich, sondern um die Auswirkungen und die Logik hinter der KI geht, gerade wenn es um sensible Felder wie Personalfragen geht. Denn eine KI funktioniert nur durch eine enorme Menge an Daten, mit der sie gefüttert wird. Sie ist keine herkömmliche Software, sondern ein ständig lernendes System. Was außerdem deutlich wurde: Die Betriebsräte müssen die nötige Zeit freischaufeln, um sich mit KI und ihren Auswirkungen im Betrieb befassen zu können.
Kerstin Mai, Konzernbetriebsratsvorsitzende von Bosch, stellte die neu abgeschlossene Konzernvereinbarung zu HR Analytics vor. Bei Bosch kommt eine KI zum Einsatz, die unter anderem die Personalvorauswahl automatisiert. Die gewünschten Qualifikationen werden mit den Lebensläufen automatisiert abgeglichen. Die Regelung, die der Betriebsrat mit der Konzernleitung schloss, sieht unter anderem diese Punkte vor: Transparenz der Wirkungsweise der KI, „Human in Command“ (am Ende entscheidet der Mensch), eine systematische Risikoauswertung, was den Datenschutz angeht, und eine Einbindung des Betriebsrats bei Korrekturen. Das System befindet sich noch im Aufbau. Handlungsbedarf sieht Kerstin Mai noch dabei, wie die Informationen so aufbereitet werden können, dass die Bosch-Betriebsräte ihre Kontrollmöglichkeiten noch effizienter und besser nutzen können.
Meike Zehlike, Informatikerin und KI-Expertin, ging in ihrer Keynote am Beispiel von Fahrdienstleistern wie Uber auf die ethischen Probleme von KI ein. Bislang sorgt der Algorithmus dafür, dass der am nächsten stehende Wagen zum Kunden gelotst wird, was dazu führen kann, dass man sehr wenig verdient, weil man einfach Pech hat. Ein radikales Gegenmodell wäre, dass diejenigen mit dem wenigsten Umsatz zum Zuge kommen: Das Einkommen wäre gleichmäßig verteilt, aber der Fahrdienst würde unattraktiv werden, weil dann die Wartezeiten steigen. Die Lösung wäre eine Strategie, die beide Modelle ausbalanciert: Die Ungleichheit sinkt, das Durchschnittseinkommen steigt leicht an, während sich die Wartezeit kaum ändert. Meike Zehlike zog daraus zwei Botschaften: Man kann Ethik in eine KI übersetzen, wenn man es will. Und: Technische Entscheidungen haben immer eine normative, also eine wertemäßige Seite.
In der Abschlussrunde betonte Claudia Bogedan: „Mit Widersprüchen umzugehen und sie auszutarieren ist die Kernkompetenz der Mitbestimmung.“ Hinter der Einführung einer KI kann reines Profitinteresse stehen, sie kann aber auch den Beschäftigten nützen. „Wir können dabei gestalten und frühzeitig mitbestimmen. KI ist eine Machtfrage in den Betrieben, der wir uns stellen sollten“, so Bogedan. Sie kündigte an, dass die Stiftung mit neuen Forschungsergebnissen am Ball bleiben wird.