Forschungsprojekt: Soziale Dimension des europäischen Unionsrechts

Aktuelle Bedeutung und Wege zu einer Rekonstruktion

Projektziel

Im Projekt wurde untersucht, wie es gelingen kann, die soziale Dimension des Europäischen Unionsrechts zu rekonstruieren und wiederzubeleben, damit sie namentlich in der Rechtsprechung nicht ins Hintertreffen gegenüber wirtschaftlichen Rechten gerät. Außerrechtliche Einflussfaktoren wurden ebenso analysiert werden wie das Potenzial der Europäischen Säule Sozialer Rechte.

Projektbeschreibung

Kontext

Der These, dass die Rechtsprechung, insbesondere zu den Grundfreiheiten, vornehmlich die Marktdimension europäischer Integration betont und die soziale Dimension des Unionsrechts vernachlässigt, steht der Befund entgegen, dass das geltende Unionsrecht bereits seit den Gründungsverträgen auch die soziale Dimension betont. Es war daher zu untersuchen, welche Bedeutung die soziale Dimension bislang gespielt hat. Es wurden Wege aufgedeckt, wie sie künftig gestärkt werden kann, damit sie den Platz finden kann, der ihr nach dem Unionsrecht gebührt. Dazu wurde auch die Idee einer Europäisch-justiziellen Säule Sozialer Rechte fruchtbar gemacht.

Fragestellung

Die Rechtsprechung des EuGH wurde zunächst daraufhin untersucht, ob und in welchen Fällen die soziale Dimension auf die schiefe Ebene wirtschaftlicher Rechte geraten ist. Dabei wurden die möglichen Einflussfaktoren auf die Rechtsprechung in sozialpolitisch relevanten Fällen geprüft. Neben rechtlichen wurden auch die außerrechtlichen Einflussfaktoren sowohl in rechtswissenschaftlicher als auch in politikwissenschaftlicher Hinsicht in den Blick genommen. Auf Grundlage dieser Analyse wurden Wege aufgezeigt, auf denen die soziale Dimension zu der Bedeutung in der Judikatur geführt werden kann, die ihr gebührt. Neben rechtspolitischen Vorschlägen wurden auch rechtsdogmatische Konstruktionen erwogen. Dazu wurde das Potenzial der Europäischen Säule Sozialer Rechte evaluiert.

Untersuchungsmethoden

Die Untersuchung basiert auf einer Kombination rechts- und politikwissenschaftlicher Forschung. Im Rahmen einer juristischen Bewertung wurden mögliche rechtliche Einflüsse auf die Entscheidungen des EuGH erörtert. Zugleich bot die juristische Untersuchung eine Auswahl des Fallmaterials, das zugleich einer politikwissenschaftlichen Untersuchung zugeführt werden soll. Das Fallmaterials wurde auf der Basis von vorhandenen datenbankgestützten Informationen empirisch ausgewertet. Daraus wurden dann rechtsdogmatische und rechtspolitische Konsequenzen zur Wiederbelebung der sozialen Dimension abgeleitet.

Darstellung der Ergebnisse

Der EuGH verfolgt als Institution keine sozialpolitische Agenda und die Rechtsprechung hat keine generelle Tendenz zur Arbeitnehmerfeindlichkeit. In diesem Sinne lassen sich auch keine politischen Einflussfaktoren feststellen. Eher spielt für den Ausgang eines Verfahrens eine Rolle, ob es einer kleinen oder der großen Klammer zugewiesen wurde. Unerwünschten Entwicklungen kann man durch sekundärrechtliche Korrekturen begegnen, was aber eine entsprechende Kompetenz und die erforderlichen Mehrheiten voraussetzt. Allerdings wird so die Union anstelle der Mitgliedstaaten zum gestaltenden Akteur.

Einer unzureichenden Beachtung der sozialen Dimension im geltenden Unionstecht kann durch eine stärkere Sensibilisierung für den sozialen Kontext, der insbesondere in kollektivarbeitsrechtlichen Fallgestaltungen nicht immer offenkundig ist, begegnet werden. Das kann verfahrensrechtlich gefördert werden, damit die Säule sozialer Rechte eine judizielle Begleitung erfährt. Zu erwägen ist z.B. die Schaffung eines Sachwalters der sozialen Dimension als unabhängige Instanz mit Stellungnahmerecht, das inhaltlich bereits in den Schlussanträgen des Generalanwalts berücksichtigt werden kann.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Prof. Dr. Olaf Deinert
Georg-August-Universität Göttingen Institut für Arbeitsrecht

Bearbeitung

Esra Özen
Georg-August-Universität Göttingen Institut für Arbeitsrecht

Philipp Hobein
Georg-August-Universität Göttingen Institut für Wirtschaftsrecht

Inga Feldmann
Freie Universität Berlin Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft

Kontakt

Dr. Eike Windscheid-Profeta
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung