Projektbeschreibung
Kontext
In der gesellschaftspolitischen Debatte wird Lebensarbeitszeitmodellen eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der demographisch bedingten Veränderungen in der Alters- und Beschäftigungsstruktur der Bevölkerung eingeräumt. Stichworte sind hier die Erhöhung der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsfähigkeit sowie bessere Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das Projektvorhaben untersucht die Bedeutung von Lebensarbeitszeitmodellen für die Ausbildungs- und Erwerbsbiographien männlicher und weiblicher Beschäftigter, fragte nach Möglichkeiten der Überwindung kumulativer Prozesse der Benachteiligung etwa von Beschäftigten mit niedrigen Qualifikationen, in atypischer Beschäftigung oder mit Vereinbarkeitsproblemen und bezieht dabei auch das Wechselverhältnis der Personalpolitik und Lebensführung der Beschäftigten ein.
Fragestellung
Leitend waren die folgenden vier Untersuchungsfragen:
1. Ziele von Langzeitkonten: Was sind die grundlegenden Zielsetzungen von Langzeitkonten? Wie sind sie in die betriebliche Personalpolitik eingebettet? Welchen Bezug haben sie zu sozialstaatlichen Reformprozessen?
2. Praxis von Langzeitkonten: Welche Anspar- und Entnahmeregeln bestehen? Welche Entgelt- und Zeitbestandteile können eingebracht werden? Wie sieht die Prozess- und Konfliktregelung aus?
3. Nutzung von Langzeitkonten: Wie sehen Nutzungsinteressen und Nutzungsverhalten der Beschäftigten aus? In welchem Verhältnis stehen Betriebs- und Beschäftigteninteressen? Welche fördernden und hemmenden Faktoren der individuellen Nutzung lassen sich identifizieren? Welche Lernprozesse gibt es?
4. Selektivität von Langzeitkonten: Wie werden Langzeitkonten von verschiedenen Beschäftigtengruppen genutzt? Welche Rolle spielen Unterschiede nach Geschlecht, Alter, Qualifikations- und Einkommensniveau, Lebensorganisation und Lebensplanung?
Untersuchungsmethoden
Um die Forschungsfragen zu beantworten, wurden die folgenden quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden verbunden: (A) Eine bundesweit repräsentative Unternehmensbefragung in Zusammenarbeit mit der Sozialforschungsstelle Dortmund (SFS). (B) Fallstudien in acht Vorreiterbetrieben auf Basis von ausführlichen Interviews mit betrieblichen Entscheidungsträgern und Experten, (C) Eine repräsentative Beschäftigtenbefragung in zwei dieser Betriebe mittels standardisiertem Fragebogen. (D) Problemzentrierte, biografische Interviews mit ausgewählten Beschäftigten.
Darstellung der Ergebnisse
- Langzeitkonten werden bisher kaum im Rahmen der präventiven Arbeitspolitik genutzt.
- Die Verbreitung und Nutzung der Langzeitkonten weist Muster der Selektivität auf, die den Zugang zu diesem Instrument vor allem für Beschäftigte in kleinen und mittleren Unternehmen, für niedrige Qualifikations- und Einkommensgruppen sowie Beschäftigte mit hohen außerberuflichen Belastungen einschränkt.
- Das Projekt identifizierte sechs ursächliche Nutzungsbarrieren: (1) hohen Zeit- und Geldbedarf der Beschäftigten vor allem in der mittleren Lebensphase, (2) Vorbehalte der Beschäftigten gegenüber langfristig angelegten Zeitsparoptionen, (3) wachsende Zukunftsunsicherheit und Arbeitsplatzrisiken, (4) gestörte betriebliche Vertrauensbeziehungen, (5) fehlende Flankierung von Langzeitkonten durch die Personalpolitik, sowie (6) eine Überforderung des Instruments, vor allem durch die Ausrichtung auf den Altersübergang (Vorruhestand) und den akuten Flexibilitätsbedarf des Unternehmens.
- Vor diesem Hintergrund erscheint eine zielgerichtete Flankierung und Ausgestaltung von Langzeitkonten für präventive Nutzungen sinnvoll (etwa für Weiterbildungs- oder Familienzeiten).