Quelle: HBS/Marten Körner
Service aktuellSystemrelevant Podcast: Sozialer Zusammenhalt: Wie gespalten ist Deutschland?
Bettina Kohlrausch und Steffen Mau diskutieren mit Marco Herack darüber, wie es mit dem sozialen Zusammenhalt in Deutschland aussieht: Wie gespalten ist das Land wirklich – und was kann gegebenenfalls gegen diese Spaltung getan werden?
[16.11.2021]
Aufgenommen wurde die 80. Folge von Systemrelevant als Live-Format im Rahmen des WSI-Herbstforums 2021 „Solidarität in der Krise. Wie können wir die Post-Corona-Gesellschaft solidarisch gestalten?“ auf dem Panel „Herausforderungen sozialen Zusammenhalts in ausdifferenzierten Gesellschaften: Zeigt die Corona-Pandemie neue Gemeinsamkeiten im Unterschiedlichen auf?“ mit Prof. Dr. Steffen Mau von der Humboldt-Universität zu Berlin, der WSI-Direktorin Prof. Dr. Bettina Kohlrausch und moderiert – wie immer – von Marco Herack.
Bezugnehmend zum Titel des Herbstforums wurde eingangs erörtert, ob die gegenwärtige Angst um die Gesellschaft aufgrund einer starken Polarisierung wohlbegründet sei. Was ist unter „Sozialem Zusammenhalt“ zu verstehen, welche Formen von Solidarität gibt es? Neben der institutionalisierten Solidarität innerhalb des Sozialstaats gibt es auch eine gelebte Praxis der Solidarität, bspw. wenn in Zeiten von Corona Maske getragen oder Abstand gehalten wird. Oder jemand sich für eine andere Person einsetzt. Grundsätzlich sei Solidarität ein Mechanismus, wie Menschen Teil der Gesellschaft werden.
Ganz viel, was Solidarität ausmacht, sei ein kommunikativer Prozess, so Steffen Mau. Vieles Patchwork und auch Bastelei. Eine Form von Wechselseitigkeit, ein Austausch von Perspektiven. Die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und ihre Anliegen mitzunehmen. Deswegen kann es zukünftig eigentlich auch nur darum gehen, dass auch neue Formen der Kommunikation mitentwickelt werden.
Vermeintliche Spaltung der Gesellschaft
Laut Bettina Kohlrausch stehen häufig verschiedene Konfliktarenen nebeneinander, teils überlagern diese sich aber auch: Betrachtet man etwa Menschen mit Migrationshintergrund, ist ersichtlich, dass nicht alle gleich stark ausgebeutet werden. Nicht alles, was nach Spaltung oder Polarisierung aussieht, ist tatsächlich so tief, wie es den Anschein macht, meint Mau. Nicht immer existiert ein kultureller Graben oder treffen zwei unvereinbare Welten aufeinander. Vielmehr sei es doch so, dass die Gesellschaft viel liberaler geworden ist. Es gäbe eine große, integrierte Gruppe – aus allen Klassen oder Schichten –, die sehr moderate und ausgleichende Einstellungen zu vielen Dingen hat.
Die Gesellschaft wäre nicht bedroht, denn es sei wichtig festzustellen, dass sie doch in vielen Bereichen zusammensteht. Es gäbe genügend Menschen, die mitgenommen werden können, wenn eine Gesellschaft gebaut würde, die auch für breitere Gruppen Angebote macht. Die unterstellte Spaltung gäbe es so nicht. Am Beispiel Gendersternchen könnte man sehen: Es gibt ein paar wenige Menschen, die sich aufregen und ein paar, denen ist es sehr wichtig – aber den allermeisten ist es egal. Das ist bei sehr vielen anderen Themen auch so.
Wichtig sei hierbei aber: Es wäre falsch, so zu tun, als seien die Konflikte, die sich etwa aus Fragen der Feminisierung von Arbeit ergeben oder aus der Tatsache heraus, dass Frauen mehr Mitsprache wollen und sich – genau wie Menschen mit Migrationshintergrund – gegen ihre Diskriminierung wehren, die Debatten von Eliten. Manche Menschen würden Arbeiter instrumentalisieren, um ihren eigenen Antifeminismus legitimieren zu wollen.
Die gegenwärtig von entsprechenden Stellen geäußerte Vorstellung, es gäbe diese „Lifestyle-Linken“, die elitär bestimmte Themen öffentlich besetzen und völlig abgekoppelt sind von den Befindlichkeiten und den Lebenswelten einer Arbeiterschicht, sei so Mau eine Überzeichnung oder Karikatur der Wirklichkeit. Das könne auch in Befragungsdaten nicht gefunden werden. Was sich eindeutig zeigt: Gruppen, die der Arbeiterschicht oder -klasse zugerechnet werden, haben eine größere Spannbreite an Einstellungen als in der Akademikerschicht oder -klasse, die urbane, kosmopolitisch gut ausgebildeten Mittelschicht sei bei den Ansichten und Einstellungen enger beieinander. Die Varianz bei Arbeiter:innen sei sehr groß, da es eine sehr heterogene Gruppe sei.
Zusätzliche Informationen zu dieser Folge
Dokumentation des WSI-Herbstforums 2021
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Alle Informationen zum Podcast
In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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