Quelle: HBS
Service aktuellSystemrelevant Podcast: Wie Mitbestimmung die Demokratie retten kann
Wie hängen Arbeitsbedingungen mit dem demokratischen Klima in Europa zusammen? WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch und Andreas Hövermann erläutern, wie Mitbestimmung und gute Arbeit die demokratischen Einstellungen von europäischen Erwerbspersonen beeinflussen.
[28.06.2024]
Für die neue Studie des WSI wurden Ende letzten Jahres 15.000 Erwerbspersonen in Deutschland, Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Polen, Spanien, Schweden und Ungarn (1.500 Personen pro Land) u.a. zu ihren Arbeitsbedingungen und politischen Einstellungen befragt.
In Deutschland und den meisten anderen untersuchten Ländern wurde deutlich, dass Wähler*innen rechtsextremer Parteien auch diejenigen waren, die wenig Vertrauen in die Institutionen haben und unzufrieden mit der Demokratie sind.
In Ungarn, Polen und Italien - also Ländern, in denen rechte Parteien regieren oder lange regiert haben - zeigte die das Gegenteil: Je mehr Vertrauen in die Institutionen, weniger populistische Einstellungen und je zufriedener mit der Demokratie, desto höher die Wahlabsicht für eine extrem rechte Partei.
Dieser Befund macht deutlich, dass der Begriff "Demokratie" sehr unterschiedlich verstanden werden kann und rechte Parteien oder totalitäre Regime den Demokratiebegriff bereits erfolgreich für sich instrumentalisiert haben.
Bemerkenswert ist allerdings, dass in allen Ländern Vertrauen in die EU die Wahlpräferenz für rechte Parteien schwächt - auch dort, wo solche Parteien aktuell an der Macht sind. WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch betont daher: Wenn es der EU gelingt, den Menschen durch ihre Leistungen zu zeigen, dass sie eine vertrauensvolle und unterstützenswerte Institution ist, könnten extrem rechte Parteien geschwächt werden.
Ein Hebel dafür könnten bessere Arbeitsbedingungen sein, denn es zeigt sich sehr eindeutig in allen Ländern:
Schlechte Arbeitsbedingungen sind ein Nährboden für das Entstehen von antidemokratischen Einstellungen.
Daher weist Bettina Kohlrausch nochmal darauf hin, wie wichtig Erfahrungen im Erwerbskontext sind, da sie immer auch eine Erfahrung von Teilhabe oder verweigerter Teilhabe sind.
Ein weiterer Untersuchungsschwerpunkt waren die Transformationssorgen in Bezug auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Diese Sorgen waren in der Umfrage besonders häufig in den unteren Einkommensgruppen präsent und sind eng verknüpft mit Wahlpräferenz für rechte Parteien.
Bettina Kohlrausch betont, dass diese Sorgen sehr ernst genommen werden müssen:
Diejenigen, die eh schon nicht besonders sicher sind in ihrer sozialen Position, fühlen sich von Transformationsprozessen viel stärker bedroht. Sie werden diesen Weg nicht mitgehen, wenn es nicht gelingt, sie sozial so einzubetten, dass ihnen diese Angst genommen wird. Das ist ein Befund mit viel Sprengpotenzial, der politischen Handlungsdruck deutlich macht.
Andreas Hövermann fasst zusammen, welche Punkte Hebel darstellen, um die Sorgen der Menschen zu mindern: "Seien es die Arbeitsbedingungen und die Möglichkeiten Mitbestimmung zu verbessern oder aber ganz stark den Fokus darauf zu legen, dass die Transformation sozialgerecht ablaufen muss und abgefedert und gestaltet werden muss. Das sind Punkte, die bisher viel zu kurz gekommen sind und sehr große Sorgen auslösen."
Moderation: Marco Herack
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In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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