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Systemrelevant Folge 198 Service aktuell

Systemrelevant Podcast: Was Aufsichtsratsarbeit ausmacht

Was definiert einen guten Aufsichtsrat? Und welche Hürden erschweren die Aufsichtsratsarbeit? Daniel Hay reflektiert mit Marco Herack die Diskussionen der Böckler Konferenz für Aufsichtsräte, die Mitte Juni in Berlin stattfand.

Bei der Böckler Konferenz für Aufsichtsräte kamen am 12. und 13. Juni Aufsichtsrät*innen aus ganz Deutschland in Berlin zusammen, um neue Impulse für ihre Arbeit aus den Debatten und Podiumsdiskussionen mitzunehmen und zu netzwerken.

Aber was macht eigentlich einen guten Aufsichtsrat aus? Dazu gab es auf der Konferenz verschiedene Meinungen: Clara C. Streit, die Vorsitzende der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, betonte auf der Konferenz, dass sich ein guter Aufsichtsrat als Team verstehen sollte - unter sich, aber auch mit dem Management des Unternehmens - und so gemeinsam das Ziel verfolgt, das Unternehmen zu stärken. Für Hasan Allak, Konzernbetriebsratsvorsitzender der Continental AG, ist eine Unternehmenskultur besonders wichtig, in der - so das Ziel - Unternehmensinteressen und Arbeitnehmerinteressen gleichrangig berücksichtigt werden. Prof. Dr. Michael Wolff vom Lehrstuhl für Management und Controlling der Georg-August-Universität Göttingen stellte die Wichtigkeit eines "kritischen Geistes" und der Unabhängigkeit eines guten Aufsichtsrats heraus. Über die Unabhängigkeit hinaus muss ein guter Aufsichtsrat laut Sebastian Sick, Leiter Unternehmensrecht und Corporate Governance am I.M.U., mitbestimmt und qualifiziert sein und eine gute Interessensvertretung für die Arbeitnehmer sein. Mitbestimmung im Aufsichtsrat sorgt nach I.M.U.-Direktor Daniel Hay dafür, dass es zu keinem Wissens- und Machtvorsprung des Vorstands gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern kommt: Arbeitnehmervertreter*innen können Detailkenntnisse und Erfahrungen aus den betrieblichen Abläufen mit einbringen und so auch zur Kontrollaufgabe des Aufsichtsrats maßgeblich beitragen.

Dennoch gibt es zahlreiche Unternehmen, die Mitbestimmung vermeiden oder ignorieren. Das zeigte der kürzlich erschienene Erosionsbericht des I.M.U., über dessen Ergebnisse Daniel Hay und Sebastian Sick in der 196. Folge von Systemrelevant ausführlicher berichten. Die Erosion der Mitbestimmung in Unternehmen hat fatale Folgen - und das nicht nur für die Demokratie im Unternehmen, denn Mitbestimmung ist ebenso aus ökonomischer Perspektive, in Transformationsprozessen wie der Digitalisierung und zur Überwindung von Krisen fundamental wichtig.

Bei einer Diskussionsrunde mit Christiane Benner, erste Vorsitzende der IG Metall, Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE, und Andrea Kocsis, stellvertretende Vorsitzende von ver.di, wurden einige Hürden für die Aufsichtsratsarbeit problematisiert.

Zunächst thematisierte Christiane Benner das Doppelstimmrecht, das kürzlich bei Thyssenkrupp zu einem großen Konflikt führte. Denn das Doppelstimmrecht ermöglicht dem Aufsichtsratsvorsitzenden in einer Pattsituation doppelt abzustimmen, wodurch die Anteilseignerseite die stimmliche Mehrheit hat und sich gegen die Arbeitnehmerseite durchsetzen kann. Michael Vassiliadis brachte zudem das Thema Missbrauch der Rechtsform Europäische Aktiengesellschaft SE auf. Denn die Forderung, die SEs zu modernisieren, ist von gewerkschaftlicher Seite klar. Die Problematik von SEs für die Mitbestimmung haben Daniel Hay und Sebastian Sick in der 196. Folge von Systemrelevant genauer erläutert. Michael Vassiliadis kritisiert, dass es keine gemeinsame Strategie im DGB gäbe, gegen die SEs vorzugehen. Das könnte laut Daniel Hay unter anderem daran liegen, dass es bei diesem Thema schwieriger ist, Beschäftigte zum Streik zu mobilisieren, als es beispielsweise bei den Tarifauseinandersetzungen der Fall ist. Gemeinsame gewerkschaftsübergreifende Strategien zum Umgang mit diesem Thema wären daher wünschenswert. Andrea Kocsis wies darüber hinaus darauf hin, dass die Aufsichtsratsarbeit nicht in jedem Unternehmen einfach und problemlos ist, sondern oft konfrontativ.

Daniel Hay bekräftigt, dass zur Aufsichtsratsarbeit viel Mut und Selbstbewusstsein gehört und sie viel Verantwortung mit sich bringt:

Aufsichtsratsarbeit - leichter gesagt als getan. Es ist eine riesige Herausforderung. Es ist eine riesengroße Verantwortung für alle, die das machen, die dabei helfen, die Mitbestimmung in den Unternehmen dann auch in die Umsetzung zu bringen.

Daniel Hay, I.M.U.-Direktor

Besonders in konfrontativen Situationen sei laut Daniel Hay die Geschlossenheit der Gewerkschaftsvertreter*innen und der Arbeitnehmervertreter*innen entscheidend für den Erfolg.

Zum Ende sprach sich Yasmin Fahimi, DGB-Vorsitzende, dafür aus, sich statt an der Orientierung am Negativen auf die Stärken zu konzentrieren und darauf, diese Stärken auszubauen.

Daniel Hay schließt sich an und appelliert:

Ich möchte jeden Unternehmer und jede Unternehmerin da draußen auch noch mal ermutigen, sich des Mehrwerts der Mitbestimmung einfach bewusst zu werden und ja, Mitbestimmung zuzulassen im Betrieb, im Unternehmen. (…) Unternehmen haben da auch eine gesellschaftliche, in Teilen auch staatspolitische Verantwortung, denn die Mitbestimmung ist eine Errungenschaft. Und diese Errungenschaft, die hat so einen großen Wert. Die macht das Land wirtschaftlich stark. Die trägt zur Demokratie und zum Erhalt der Demokratie Stärkung der Demokratie bei. Und wir müssen alles dafür tun, das auch beizubehalten.

Daniel Hay, I.M.U.-Direktor

Moderation: Marco Herack

Alle Informationen zum Podcast

In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.

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