Quelle: HBS
Service aktuellWSI-Verteilungsbericht 2023: Wie Armut und soziale Ungleichheit unsere Gesellschaft beeinflussen
Armut und soziale Ungleichheit in Deutschland sind auf dem Vormarsch und zeigen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Jan Brülle erläutert Ergebnisse des WSI-Verteilungsberichts.
[6.11.2023]
Was bedeuten Armut und soziale Ungleichheit für direkt betroffene Menschen, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes? Diese Frage steht im Mittelpunkt des diesjährigen WSI-Verteilungsberichts, den Dorothee Spannagel und ich gemeinsam verfasst haben. Armut und Einkommensungleichheit sind in Deutschland deutlich höher als noch in den 1990er Jahren. Auch im letzten Jahrzehnt vor Corona war trotz wirtschaftlichem Aufschwung und sinkender Arbeitslosigkeit kein Rückgang festzustellen – im Gegenteil: Einkommensarmut hat sogar noch weiter zugenommen und im Jahr 2022 waren 16,7 Prozent der Bevölkerung arm.
Aus zwei Gründen verdienen diese Zahlen gerade jetzt besondere Aufmerksamkeit:
Zum einen zeigen wir im Verteilungsbericht, wie sehr sich ungleiche Einkommensressourcen von Menschen in unterschiedlichen Lebensrealitäten widerspiegeln: Je geringer das Einkommen, desto häufiger können Menschen sich Dinge nicht leisten, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, etwa abgetragene Kleidung durch neue zu ersetzen. Mit niedrigeren finanziellen Ressourcen nimmt zudem die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben ab und die Sorgen nehmen zu – auch in Bereichen wie der eigenen Gesundheit, die auf den ersten Blick wenig mit dem Einkommen zu tun haben. Menschen mit geringen Einkommen sind deshalb in Krisenzeiten besonders verwundbar, und das gerade dann, wenn sie über einen längeren Zeitraum in Armut leben müssen.
Zum anderen wirkt sich eine hohe soziale Ungleichheit auch auf das gesellschaftliche Zusammenleben aus. Menschen in Armut berichten besonders häufig davon, dass andere auf sie herabsehen, umgekehrt erfahren vor allem reiche Menschen soziale Wertschätzung. Gleichzeitig sehen wir, dass das Vertrauen in politische und staatliche Institutionen und Akteure vor allem in den unteren Einkommensgruppen häufig fehlt. Das reicht vom Rechtssystem über den Bundestag bis hin zu „den“ Parteien und Politiker*innen. Dies beeinträchtigt auch auf gesellschaftlichen Ebenen die Grundlagen erfolgreicher Krisenbewältigung: Für die großen Veränderungen, die auf uns zukommen, ist unsere Gesellschaft unbedingt auf ein funktionierendes demokratisches Miteinander angewiesen.
Umso wichtiger ist deshalb, Ungleichheiten zu bekämpfen und alle entsprechend ihrer Möglichkeiten an den Kosten der anstehenden Transformation zu beteiligen. Wie das gelingen kann, ist das Thema einer gemeinsamen Konferenz der Hans-Böckler-Stiftung und des DGB. Titel: „Verteilungsfragen in Krisenzeiten – Soziale Spaltung bekämpfen, Transformation gerecht gestalten“ am 9. November in Berlin. Mit Referent*innen und Gästen aus Wissenschaft, Gesellschaft und Politik werden wir aktuelle Probleme und Herausforderungen, aber auch potenzielle Lösungen diskutieren. Wer nicht vor Ort dabei sein kann, ist herzlich eingeladen, die Veranstaltung per Livestream zu verfolgen.
Dr. Jan Brülle ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Referat Verteilungsanalyse und Verteilungspolitik am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung.
Weitere Informationen
Einkommensungleichheit als Gefahr für die Demokratie – WSI-Verteilungsbericht 2023
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