Quelle: HBS
Service aktuellIndustriestandort: Ein Brückenstrompreis ist richtig, wichtig und drängend
Deutschlands Energiepreisdebatte erfordert dringend einen Brückenstrompreis, um energieintensive Unternehmen vor den Auswirkungen hoher und volatiler Strompreise zu schützen. Sebastian Dullien fasst die wichtigsten Punkte zusammen.
[11.09.2023]
Die Debatte um die Energiepreise, und besonders den Strompreis, reißt nicht ab. Zwar hat die Bundesregierung auf der Klausurtagung in Meseberg erneut unterstrichen, dass sie das Problem hoher und stark schwankender Strompreise für den Standort Deutschland versteht. Die vorgeschlagenen Maßnahmen waren aber wenig konkret und dürften kaum kurz- und mittelfristig Abhilfe schaffen.
Vor allem eine zentrale Maßnahme fehlte auffällig in den Beschlüssen: Ein Brückenstrompreis. Im Frühjahr hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ein solches Konzept ins Gespräch gebracht, mit dem energieintensive Unternehmen über Strompreissubventionen von stark schwankenden und hohen Elektrizitätspreisen abgeschirmt werden sollten.
Dabei wäre eine solche Maßnahme richtig, wichtig und drängend. In der Debatte um den Brückenstrompreis wird oft missverstanden, worum es im Kern geht: Es soll nicht darum gehen, dass dauerhaft für einen Teil der Industrie der Strompreis subventioniert werden soll. Vielmehr ist das Ziel, dass eine Brücke gebaut werden soll über die aktuelle Phase hoher und volatiler Strompreise, die unter anderem daher rühren, dass gasbetriebene Kraftwerke oft die Spitzenlast abdecken und im aktuellen Strommarktdesign damit den Preis setzen – und Erdgas im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine deutlich teurer geworden ist.
Mittel- und langfristig dürften mit dem Zubau von erneuerbaren Energien die Strompreise im Großhandel in Deutschland wieder verlässlich deutlich unter jene Spitzen fallen, die in den vergangenen zwölf Monaten zu beobachten waren. Volkswirtschaftlich wäre es völlig irrsinnig, heute Betriebe pleitegehen zu lassen, Technologien ins Ausland abwandern zu lassen und Menschen in die Arbeitslosigkeit zu schicken, wenn diese Betriebe in ein paar Jahren wieder profitabel bei uns produzieren könnten. Ein Brückenstrompreis würde diesen Betrieben erlauben, die Übergangszeit überhöhter Strompreise zu überstehen.
Auch die Umstellung bisher mit fossiler Energie betriebener Unternehmen auf CO2-freie Produktionsweise ist oft nur mit Strom möglich. Eine längere Phase hoher Strompreise verzögert oder verhindert diese Transformation, ein richtig designter Brückenstrompreis würde sie beschleunigen.
Man muss nicht den Vorschlag für einen Brückenstrompreis aus Habecks Ministerium in allen Details gutheißen. Die erste Vorlage aus dem Frühjahr war ohnehin als Diskussionsbeitrag, nicht als fertiges Konzept gedacht. Die Grundidee ist aber goldrichtig. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Perspektive durchsetzt. Jede Verzögerung riskiert eine Verlängerung der aktuellen Phase der Unsicherheit über die Zukunft von Energieversorgung und Energiepreisen in Deutschland und damit den Verlust von Investitionen an inländischen Standorten.
Prof. Dr. Sebastian Dullien ist Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.
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