zurück
Magazin Mitbestimmung

: UMFRAGE Abbau, Ausbau oder Umbau?

Ausgabe 09/2005

Wir haben Spitzenpolitiker zu den Mitbestimmungsgesetzen befragt. Am zufriedensten mit dem geltenden Recht zeigen sich Regierungsparteien. Die Konservativen und die Liberalen wollen es beschneiden, die Linkspartei will die Mitbestimmung sogar ausweiten.

Die Fragen im Wortlaut

1.) Wenn Sie persönlich darüber entscheiden könnten - würden Sie das Mitbestimmungsgesetz von 1976 verändern? Wenn ja, erklären Sie bitte, wie genau und warum.

2.) Befürworten Sie Veränderungen des Betriebsverfassungsgesetzes, z.B. eine Rücknahme der letzten Reform? Wenn ja, erklären Sie bitte, welche Veränderungen das sind und warum Sie diese für sinnvoll halten.


Klaus Uwe Benneter, SPD

Unternehmensmitbestimmung

"Aus Sicht der SPD hat sich die Unternehmensmitbestimmung bewährt. Die Mitbestimmung gehört für Sozialdemokraten zum Kernbestandteil unserer sozialen Wirtschaftsordnung. Wir werden es nicht zulassen, dass die paritätische Mitbestimmung abgeschafft wird und die Gewerkschaften aus den Aufsichtsräten verdrängt werden. Wir halten am Prinzip der gleichen Augenhöhe fest. Besonders die Unternehmensmitbestimmung steht unter Dauerbeschuss der Funktionäre von Arbeitgeberverbänden und CDU/CSU und FDP. Das ist eine rein ideologisch geprägte Debatte, die jeder sachlichen Grundlage entbehrt."

Betriebsverfassungsgesetz

"Die SPD hat das Betriebsverfassungsgesetz 2001 reformiert, weil wir mehr Demokratie im Betrieb wollen. Deshalb haben wir die betriebliche Mitbestimmung ausgebaut. Mit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes haben wir die Bildung von Betriebsräten erleichtert, ihre Rechte und Arbeitsbedingungen verbessert. Die Auswertungen der Betriebsratswahlen nach neuem Recht haben ergeben, dass die Rechtsänderungen erfolgreich waren. Mit Sozialdemokraten wird es keine Rücknahme der Reform geben."

Klaus Ernst, Die Linkspartei

Unternehmensmitbestimmung

"Wenn ich persönlich entscheiden könnte, würde ich tatsächlich das Mitbestimmungsgesetz von 1976 ändern, allerdings nicht in die Richtung, welche zurzeit von FDP, CDU und CSU diskutiert wird. Aus meiner Sicht geht es darum, die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat auszubauen. Dazu gehört die Abschaffung eines eigenen Vertreters der leitenden Angestellten im Aufsichtsrat ebenso wie die Abschaffung des Doppelstimmrechts des Aufsichtsratsvorsitzenden. Ein ,neutraler‘ Aufsichtsratsvorsitzender sollte einer gleichen Anzahl von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern im Aufsichtsrat vorsitzen. Darüber hinaus sollten auch die individuellen Informationsrechte der Aufsichtsratsmitglieder ebenso gestärkt werden wie ihre Rechte in den Ausschüssen. Ebenfalls reformbedürftig ist der Geltungsbereich. Gegenwärtig kann sich zum Beispiel die INA Holding Schaeffler KG, die größte deutsche Unternehmensgruppe in Familienbesitz, mit Tausenden von Beschäftigten durch ihre Rechtsform der Mitbestimmung entziehen."

Betriebsverfassungsgesetz

"Die letzte Reform der Betriebsverfassung 2001 ging, wenn auch unzureichend, in die richtige Richtung. Die Vereinfachung des Wahlverfahrens war ebenso notwendig wie eine verbesserte Freistellung von Betriebsratsmitgliedern oder die Regelung zu Betriebsräten in Gemeinschaftsbetrieben. Allerdings sind die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte nur ungenügend erweitert worden. Aus meiner Sicht wären, insbesondere bei der Durchsetzung von Interessenausgleichen ebenso wie bei der Verhinderung von Kündigungen, erweiterte Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte notwendig. Nach wie vor fehlen Regelungen der Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Die Forderungen der gegenwärtigen Oppositionsparteien nach Legalisierung von betrieblichen Bündnissen, welche Tarifverträge unterlaufen, lehne ich genauso ab wie deren Position, die spärliche Reform von 2001 rückgängig zu machen."

Reinhard Bütikofer, Die Grünen

Unternehmensmitbestimmung

"Ich kann nur davor warnen, wegen der aktuellen Vorfälle bei Volkswagen die Mitbestimmung in Deutschland generell in Frage zu stellen oder das Mitbestimmungsgesetz in Richtung weniger Arbeitnehmerbeteiligung verändern zu wollen. Das deutsche Mitbestimmungssystem trägt in einem beachtlichen Maß zum sozialen Frieden in unserem Land bei und hat in vielen Jahren gezeigt: Ohne engagierte Arbeitnehmer kann eine moderne Wirtschaft nicht funktionieren. Wer sich vom deutschen Modell der Sozialpartnerschaft verabschiedet, wird kämpferische und politische Auseinandersetzungen in die Betriebe tragen. Es kommt schließlich nicht von ungefähr, dass wir die wenigsten Streiktage in Europa haben. Gerade in Zeiten, in denen sich die Arbeitswelt drastisch wandelt und unternehmerische Umstrukturierungen anstehen, ist die Mitbestimmung ein wichtiges Instrument, um diese Umstrukturierungsprozesse sozial verträglich und mit der Akzeptanz und Beteiligung der Mitarbeiter zu gestalten."

Betriebsverfassungsgesetz

"Wir haben 2001 das Betriebsverfassungsgesetz modernisiert, damit es auch in globalisierten Wirtschafts- und Unternehmensstrukturen erfolgreich bleibt sowie dem technologischen und organisatorischen Wandel der Arbeitswelt gewachsen ist. Weitere Veränderungen sind nicht nötig. Die Tarifpartner stellen sich bereits mit zahllosen Bündnissen für Arbeit den Problemen in den Betrieben. Bisher nutzt mehr als ein Drittel aller Betriebe diese Möglichkeit. Tendenz: steigend. Wir sehen es als Verantwortung der Tarifparteien, betriebliche Bündnisse durch Öffnungsklauseln zu ermöglichen, und nicht als Aufgabe der Politik, dies durchzusetzen. Die Vorschläge der Union und der FDP bedeuten die Abkehr von der bisherigen Sozialpartnerschaft. Unsicherheit und schlechtere Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer sowie das Ende der betrieblichen Kooperation zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung sind die Folge."

Fritz Kuhn, Die Grünen

Unternehmensmitbestimmung

"Ich bin an einer Stelle für eine Änderung des Mitbestimmungsgesetzes von 1976. Im Rahmen der Verbesserung der Corporate Governance, der "guten Unternehmensführung", wollen wir nicht nur den Wechsel vom Vorstandsvorsitz zum Aufsichtsratsvorsitz ausschließen und die Anzahl der Aufsichtsratsmandate auf fünf begrenzen, die eine Person zur gleichen Zeit ausüben darf. Sondern wir wollen auch die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder reduzieren, um diese Gremien arbeitsfähiger zu machen. Für Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten, die nach § 1 unter das Mitbestimmungsgesetz von 1976 fallen, sollte dafür § 7 dieses Gesetzes dahingehend geändert werden, dass die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder auf zwölf begrenzt wird. Im Unterschied zur FDP und Teilen der Union wollen wir aber ausdrücklich nicht die paritätische Besetzung der Aufsichtsratsgremien zu Ungunsten der Arbeitnehmerseite geändert sehen. Die Parität soll beibehalten werden."

Betriebsverfassungsgesetz

"Ich sehe zurzeit keinen Grund für erneute Änderungen am Betriebsverfassungsgesetz. Die letzte Reform ist gelungen. Sie ist bisher in der Praxis nach meiner Kenntnis auch gut angenommen worden. Die Reform hat die Wahlprozesse für den Betriebsrat entbürokratisiert. Unserer Ansicht nach ist die betriebliche Mitbestimmung eine Stärke, keine Schwäche des Standorts Deutschland. Sie ist mitverantwortlich für die international vergleichsweise geringe Streikhäufigkeit in den Betrieben. Deshalb sollte man sie auch nicht - wie es jetzt CDU/CSU und FDP vorschlagen - mit der Verhandlung von betrieblichen Bündnissen und Standortsicherungsabkommen überfrachten. Damit wäre die Funktion der betrieblichen Mitbestimmung als vermittelndes Bindeglied zwischen Geschäftsführung und Belegschaft strukturell gefährdet. Für den Standort Deutschland wäre das der falsche Weg."

Karl-Josef Laumann, CDU

Unternehmensmitbestimmung

"Ich bin ein großer Anhänger der Mitbestimmung - sowohl der betrieblichen Mitbestimmung als auch der Unternehmensmitbestimmung. Mitbestimmung ist Ausdruck der Würde des arbeitenden Menschen. Zugleich rechnet sich Mitbestimmung; sie ist ein Standortvorteil, weil sie Umstrukturierungen erleichtert und den sozialen Frieden sichert. Die Christlich-Sozialen haben - beginnend mit dem Betriebsrätegesetz 1920 - die Mitbestimmung in Deutschland auf den Weg gebracht. Das Montanmitbestimmungsgesetz und das Betriebsverfassungsgesetz 1952 tragen die Unterschrift des Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Auch dem Mitbestimmungsgesetz 1976 hat die Union im Deutschen Bundestag zugestimmt.Knapp 30 Jahre nach Inkrafttreten des Mitbestimmungsgesetzes ist es sicher angebracht, über Anpassungen nachzudenken. Weil die Entscheidung für die Mitbestimmung eine Wertentscheidung ist, darf man dabei nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Wohl aber muss man prüfen, welche Konsequenzen sich aus der europäischen Politik und europäischen Rechtsprechung ergeben. Was heißt das, wenn sich Unternehmen aus anderen EU-Ländern mit anderen Rechtsformen und anderen Mitbestimmungsregelungen hier niederlassen können? Welche Konsequenzen müssen wir als Gesetzgeber daraus ziehen? Wie passen die deutsche Mitbestimmung und das in einer Reihe von Ländern übliche ,monistische‘ System mit einer einheitlichen Unternehmensführung zusammen? Fertige Antworten darauf hat wohl niemand parat; wir werden aber sicherlich mehr Freiräume für Vereinbarungslösungen schaffen müssen. Auch die Einbeziehung der ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Mitbestimmung ist zu regeln."

Betriebsverfassungsgesetz

"Auch das Betriebsverfassungsgesetz muss überprüft werden, ohne dass es in seinem Kernbereich angetastet wird. Dabei geht es nicht um ein Zurückdrehen, sondern darum, neue Akzente zu setzen. Die letzte Reform hatte durchaus positive Elemente. So war es sicherlich erforderlich, bei der Definition des Betriebsbegriffes für ein Stück mehr Flexibilität zu sorgen, ein vereinfachtes Wahlverfahren einzuführen und die Regelungen zu den Arbeitsbedingungen der Betriebsräte zu modernisieren - auch wenn ich all das im Detail vielleicht anders gemacht hätte. Ich halte es aber nicht für richtig, den Betriebsrat für allgemeinpolitische Aufgaben zuständig zu machen, wie es mit der Reform geschehen ist. Beispiel: Bekämpfung der Ausländerfeindlichkeit. Das ist eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe, muss aber nicht im Betriebsverfassungsgesetz geregelt werden. Auch hängt die Qualität der Betriebsratsarbeit nicht unbedingt von der Größe der Betriebsräte oder der Zahl der Freistellungen ab, so dass wir uns die Größenstaffeln noch einmal ansehen sollten. Andererseits finde ich, dass wir die Mitwirkungsregelungen der Betriebsräte bei Fragen der Qualifizierung und Weiterbildung noch verbessern müssen. Und die Union hat sich schon 2001 für die Ermöglichung der Errichtung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen auch in außerbetrieblichen Ausbildungsstätten ausgesprochen."

Rainer Brüderle, FDP

Unternehmensmitbestimmung

"Die Mitbestimmung in Konzernen muss reformiert werden. Wenn wir die Entscheidungszentralen der Konzerne halten wollen, führt daran kein Weg vorbei. Deshalb treten wir dafür ein, dass die Arbeitnehmer in den Betrieben ihre Vertreter in den Aufsichtsgremien ausschließlich selbst bestimmen. Deshalb muss das Gewerkschaftsprivileg im Mitbestimmungsgesetz fallen. Die gesetzliche Verpflichtung, unternehmensfremde Gewerkschaftsfunktionäre als Aufsichtsratsmitglieder zu benennen, ist eine nicht sachgerechte Fremdbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb. Die Drittelparität, wie sie bereits in den meisten Kapitalgesellschaften mit weniger als 2000 Beschäftigten existiert, muss die paritätische Mitbestimmung ersetzen. Zur Steigerung der Effizienz und Sorgfalt der Aufsichtsratstätigkeit ist die Größe der Aufsichtsräte auf maximal zwölf Mitglieder zu beschränken sowie die Zahl der Aufsichtsratsmandate pro Person auf fünf Mandate zu begrenzen."

Betriebsverfassungsgesetz

"Die FDP will eine mittelstandsfreundliche betriebliche Mitbestimmung. Die Ausweitung durch Rot-Grün brachte zusätzliche Bürokratie, zusätzlichen Organisationsaufwand und damit zusätzliche Kosten von mindestens 1,3 Milliarden Euro für die deutschen Unternehmen. Diese neuen Kosten haben keinen zusätzlichen Nutzen gebracht. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen werden überfordert. Deren Vorteile - kurze, flexible Entscheidungswege - wurden durch die übertriebene Verrechtlichung der Beziehungen zwischen Unternehmensleitung, Belegschaft und Betriebsrat beseitigt. Es gibt keinen Hinweis, dass der Betriebsfrieden in Unternehmen vor der grün-roten Reform flächendeckend gefährdet war. Die Gründung eines Betriebsrats halten wir erst in Unternehmen ab 20 Beschäftigten für sinnvoll. Für die Gültigkeit der Betriebsratswahl muss ein Quorum von mehr als 50 Prozent der wahlberechtigten Arbeitnehmer erfüllt sein. Die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern beginnt erst in Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten."

 


Die Wahlen im Internet

Der DGB präsentiert auf seiner Webseite seine Anforderungen an die Parteien, eine etwas magere Linkliste und Veranstaltungstermine rund um die Bundestagswahl.
www.dgb.de/themen/btw2005

Transnet bietet auf ihrer Webseite einen wöchentlichen Wahl-Check an, der über die wichtigsten Ereignisse der Bundestagswahlen informiert.
www.transnet.org/.BT-Wahl/Wahl-Check

Die IG BCE präsentiert auf Ihrer Webseite eigene Anforderungen an die Parteien.
http://www.igbce.de/

Die IG Metall hat ihr Angebot zur Bundestagswahl ebenfalls prominent auf der Startseite platziert.
http://www.igmetall.de/

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrem Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen