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Magazin MitbestimmungVon ANDREAS KRAFT: Tesla Grohmann und IG Metall: Sie müssen an einen Tisch
Thema Die Wirtschaftspresse schreibt von einem Kampf der Kulturen. Dabei geht es um Selbstverständliches. Der Elektroauto-Pionier will mit dem Zukauf des Zulieferers Grohmann sein Geschäft ankurbeln, die Gewerkschaft will Gespräche – für sichere, gut bezahlte Jobs.
Von ANDREAS KRAFT
Einen Jahresgewinn konnte Tesla noch nie ausweisen – in 13 Jahren nicht. Trotzdem beläuft sich der Börsenwert des Unternehmens auf mittlerweile 50 Milliarden Dollar. Tesla ist vor Ford und General Motors inzwischen der wertvollste Autobauer der USA. Und Firmenchef Elon Musk will noch weiter: In wenigen Jahren könne Tesla so viel wert sein wie Apple. Mit dem Computergiganten teilt Tesla nicht nur den Firmensitz in Palo Alto im kalifornischen Silicon Valley, sondern auch die Firmenkultur. Es geht in der offiziellen Sprache beider Unternehmen nicht darum, hohe Profite zu erzielen, sondern die Welt zu verändern. Angeblich.
Für Teslas Firmenhistorie dürften die kommenden Monate entscheidend werden. Im Juli soll die Produktion des neuen Modells 3 (Aufmacherfoto oben) anlaufen – ein Elektroauto mit 345 Kilometern Reichweite und fünf Sitzplätzen.Tesla will damit erstmals in den Massenmarkt vorstoßen. Das neue Modell soll rund 35.000 US-Dollar kosten, weniger als jemals ein Tesla gekostet hat. Ende des Jahres sollen die ersten Wagen ausgeliefert werden. Nur wenn das Modell ein Erfolg wird, könnte das Unternehmen, das schon mehrfach kurz vor dem Konkurs stand, die rosige Zukunft haben, von der Firmenchef Elon Musk träumt.
Der Gründer ist gegangen
Die Beschäftigten beim 1963 gegründeten Maschinenbauer Grohmann in Prüm in der Eifel, der jetzt zum Tesla-Imperium gehört, plagen derweil ganz andere Sorgen. Im Herbst 2016 hat der amerikanische Elektroautobauer den „Hidden Champion“ übernommen, der vor allem Maschinen zur Herstellung von Chips, Sensoren und Batterien produziert. Grohmann entwickelte sich, wie die IG Metall schreibt, „von einem Premium-Zulieferer der Automobilindustrie über Nacht zu einem Konkurrenten.“ Das Know-how der Grohmann-Beschäftigten soll nun allein Teslas ehrgeizigem Plan für eine hoch automatisierte Fertigung dienen. Dabei hatte Grohmann bisher auch andere wichtige Kunden: Daimler, BMW und VW. Doch deren Aufträge will Firmenchef Musk nun anscheinend nicht mehr erfüllen, es geht allein um die Tesla-Vision. Im Zuge dieser Auseinandersetzung ist Firmengründer Klaus Grohmann Ende März als Geschäftsführer aus dem Unternehmen ausgeschieden.
Auch die Beschäftigten um den Betriebsratsvorsitzenden Uwe Herzig sehen die neue Strategie für den Mittelständler kritisch. Falls das Modell 3 nicht den erhofften Erfolg hat und Tesla – und damit auch Grohmann – in die Gewinnzone hievt, hat es sich das Unternehmen mit den bisherigen Großkunden verscherzt. Sie müssen sich schon jetzt andere Lieferanten suchen. Neue Chancen für das Unternehmen stehen also nicht geringen Risiken gegenüber. Die IG Metall fordert daher einen Tarifvertrag für Grohmann. Darin sollen nach dem Willen der Gewerkschaft nicht nur die Löhne an die Branche angepasst werden, es soll auch eine Beschäftigungsgarantie geben.
Die Gewerkschaft will Tarif statt Aktien
Tesla gibt sich kompromissbereit und hat bereits individuelle Lösungen, Gehaltserhöhungen und Aktienpakte für die Beschäftigten angeboten. Doch kommen diese Versprechen bei der IG Metall nicht allzu gut an. „Wir wollen eine klare tarifliche Lösung, die rechtssicher und nachhaltig ist“, sagt Christian Z. Schmitz, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall in Trier. „Eine Einmalzahlung ist schnell gezahlt, aber nur eine Tarifbindung ermöglicht es, beständig an der Lohnentwicklung teilzuhaben.“ Der zuständige Gewerkschaftssekretär Patrick Georg ist derzeit fast täglich im Betrieb, um mit den Kollegen das weitere Vorgehen zu diskutieren.
Zwischenzeitlich war dabei schon von Warnstreiks die Rede. Derzeit aber setzen beide Seiten auf Deeskalation, um Gespräche überhaupt möglich zu machen. Denn bisher gab es noch keine direkten Verhandlungen zwischen Tesla und der IG Metall, die einen eigenen Blog zum Thema Tesla angelegt hat. Möglicherweise liegt das auch daran, dass Musk die Gewerkschaften gern generell aus dem Unternehmen heraushalten möchte.
Würde er jetzt in Deutschland nachgeben, könnten die Kollegen in den USA Ähnliches fordern – das könnte seine Befürchtung sein. Dort, im Tahoe Reno Industrial Center im Bundesstaat Nevada, baut Tesla gerade die Giga-Factory, eine millardenschwere Fabrik, in der künftig die Batterien für die Energiewende hergestellt werden sollen. Musk preist die Fabrik schon jetzt als das größte Gebäude der Welt. Dabei kann er damit nur prahlen, weil sie sich nur in der Fläche streckt, aber nicht in die Höhe.
Für Grohmann sind seine Ankündigungen ähnlich großspurig. 1000 Ingenieure wolle er in den kommenden Jahren neu anstellen, verkündete er bei der Firmenübernahme im November, und damit die Zahl der Beschäftigten mehr als verdoppeln. Dabei sind laut der IG Metall schon jetzt gut 300 Stellen unbesetzt. Musk setzt auch bei der Motivation der Beschäftigten gern darauf, dass man bei Tesla ja die Welt verändern könne. Doch ohne Tarifverträge wird er die benötigten Arbeitskräfte wohl kaum nach Prüm locken können. Schließlich suchen auch die anderen Autobauer derzeit händeringend gut qualifizierte Ingenieure. Und Luxemburg, wo attraktive Löhne gezahlt werden, ist auch nicht weit von Prüm. Bis zur Grenze sind es gerade einmal 25 Kilometer.
Fotos: Tesla/saudishift.com, F.A.Z.-Foto/Stefanie Silber, Fritz-Peter Linden/Medienhaus Trierischer Volksfreund, Rolf Lorig
WEITERE INFORMATIONEN
Im Januar hat der SWR eine Fernsehreportage zur Übernahme von Grohmann durch Tesla veröffentlicht, in der auch der Betriebsratsvorsitzende Uwe Herzig befragt wird.