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Cover CD CSD in Sonneberg Magazin Mitbestimmung

Das politische Lied: Regenbogen statt AfD

Ausgabe 04/2024

Als bei der Kommunalwahl im thüringischen Landkreis Sonneberg im Juni 2023 die AfD erstmals ein kommunales Spitzenamt erringt, ist der Schock groß. Aktivist Maurice Conrad sucht nach einer angemessenen Antwort, um der AfD und ihrer Wählerschaft zu zeigen, dass man ihr das Feld nicht überlässt. Die Lösung: Ein Christopher Street Day in Sonneberg. Von Martin Kaluza

Es ist CSD in Sonneberg
Und die AfD empört
Überall ist Party
weil den Landrat unsre Party stört


Es ist der 25. Juni 2023, die Stimmen der Kommunalwahl im thüringischen Landkreis Sonneberg sind ausgezählt: Der AfD-Kandidat Robert Sesselmann hat die Stichwahl mit 52,8 Prozent gegen den amtierenden CDU-Landrat Jürgen Köpper gewonnen. Zum ersten Mal erringt die AfD ein kommunales Spitzenamt. Der neue Landrat gilt als Anhänger des rechtsextremen Landesparteichefs Bernd Höcke. Seine Wahl ist ein Schock.

Der Mainzer Kommunalpolitiker und Aktivist Maurice Conrad überlegt, was eine angemessene Antwort wäre. Wie könnte man der AfD und ihrer Wählerschaft möglichst plakativ zeigen, dass man ihr das Feld nicht überlässt? Ganz klar: Sonneberg braucht einen CSD, einen Christopher Street Day, die Stolz-Parade der auch als LGBTQ bezeichneten Bewegung von schwulen, lesbischen, bisexuellen und transsexuellen Menschen. Conrad steht für alle Werte, die die AfD ablehnt. Er setzt sich für Klimaschutz und Seenotrettung ein und macht sich für LGBTQ-Anliegen stark. Als Gründungsmitglied der Klimaliste Rheinland-Pfalz sitzt er seit 2019 im Mainzer Stadtrat. Früher war er Mitglied der Piraten, inzwischen ist er zu den Grünen gewechselt.

Conrad tut sich mit dem Musiker Bruneau zusammen. „AfD tut es weh, wenn du Glitzer im Gesicht hast“, rappt Bruneau, und Conrad ergänzt: „Doch er ist frustriert, denn er hat nicht in der Hand/Wie wir aussehen, wen wir lieben, wie wir uns kleiden.“ Die Kernbotschaft lautet: „Straight oder queer oder ally, egal/Hauptsache, wir zeigen, wir sind noch da.“

Conrad und Bruneau fahren nach Sonneberg, um vor Ort das Video zu dem Song zu drehen – Conrad in bauchfreiem Top und Shorts, alle geschminkt, die Pride Flag immer dabei. Sie überkleben die Toilettentüren am Rathaus mit genderneutralen Symbolen. Und dann läuft tatsächlich Landrat Robert Sesselmann mit seiner Aktentasche durchs Bild, während Conrad im Hintergrund rappt.

Eine einschüchternde Atmosphäre liegt während des Videodrehs über der Stadt. „Bruneau und ich konnten wieder abfahren“, schreibt Conrad in seiner taz-Kolumne „Änder studies“. „Aber was ist mit den Menschen vor Ort? Mit denen, die sich gar nicht erst trauen, auf dem Rathausplatz in einem Musikvideo mitzuwirken, weil sie Angst haben, ihre Beteiligung könnte für sie zum Problem werden?“ Nicht ohne Grund. Schließlich berichtet Opferberatung „ezra“, dass der Landkreis Sonneberg 2023 zu einem Hotspot rechter Gewalt in Thüringen geworden ist.

Einer der ersten Kommentare zu dem Video stammt von User 777MelB: „Hey guys, ich feiere euch!!!! Ich komme aus Südthüringen, habe viele Jahre in Sonneberg gelebt und habe da immer noch Familie. In der Zeit damals habe ich einige heimlich (!) Schwule und Lesben kennengelernt! Ein echter CSD, wenn auch nur mit zehn Teilnehmern, wäre echt der Burner!!“

Ein Jahr später wird der Wunsch Wirklichkeit: Aus der Kleinstadt heraus organisiert, mit Unterstützung der Community aus dem 25 Kilometer entfernten Coburg, findet am 20. Juli 2024 erstmals ein CSD in Sonneberg statt. Nicht zehn, sondern über 630 Menschen versammeln sich unter dem Motto „Bunte Provinz“. Auf der Abschlusskundgebung performen Maurice Conrad & Bruneau ihren Song. Der nächste CSD in Sonneberg ist da schon längst beschlossene Sache.

Das Lied anhören/ansehen:

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