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Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: Nadine Zeibig über die Betriebsratswahlen 2014

Ausgabe 01+02/2014

"Bei atypischen und prekären Beschäftigungsverhältnissen gelangt das heutige Mitbestimmungsmodell an seine Grenzen", glaubt die WSI-Wissenschaftlerin.

Von März bis Mai finden in Deutschland Betriebsratswahlen statt. Die Mitbestimmung von Beschäftigten in ihren Betrieben ist eine historische Errungenschaft, die nicht selbstverständlich ist und deren Wert man nicht hoch genug schätzen kann. Die Beschäftigten können über ihre Betriebsräte Einfluss auf ihre Arbeitsbedingungen und die Durchsetzung ihrer Arbeitnehmerrechte nehmen und so ihr Arbeitsleben mitgestalten. Leider werden in den westlichen Bundesländern nur 43 Prozent und in den östlichen Bundesländern nur 36 Prozent der Beschäftigten durch Betriebsräte vertreten; der Trend ist seit Jahren rückläufig.

Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer arbeitet in betriebsratslosen Betrieben. Ein Ziel muss es sein, diese Zahl zu senken. Dazu sollte etwa das vereinfachte Wahlverfahren in Betrieben mit bis zu 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern ohne Zustimmung des Arbeitgebers möglich sein – bisher liegt der Schwellenwert bei 50 Wahlberechtigten. Auch über eine Verpflichtung zur Gründung von Betriebsräten wäre nachzudenken.

Die betriebliche Mitbestimmung soll das strukturelle Ungleichgewicht, also die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestehenden Informations- und Machtasymmetrien ausgleichen. Die Möglichkeit, Arbeitnehmervertreter wählen zu können, die mit gesetzlich verankerten Rechten ausgestattet sind, ist heute notwendiger denn je: In Zeiten wiederkehrender Wirtschaftskrisen und zunehmender Internationalisierung versuchen viele Arbeitgeber, ihre Betriebe auf Kosten der Beschäftigten neu zu strukturieren und Arbeitskosten zu senken. Bewährte Betriebsstrukturen werden zerschlagen und bestehende langfristige Arbeitsbeziehungen durch prekäre Beschäftigungsformen wie Befristungen, Leiharbeit und Werkverträge ersetzt.

Arbeitgeber versuchen, die Gründung von Betriebsräten zu verhindern oder Betriebsratswahlen anzufechten. Oft wird die Mitbestimmung insgesamt von den Arbeitgebern infrage gestellt. Betriebe werden ins Ausland verlagert, wo sie keiner wirklichen Mitbestimmung unterliegen. Eurobetriebsräte versuchen gegenzusteuern, scheitern aber oft an unzureichenden Rechten. Konzernbetriebsräte können nach dem Betriebsverfassungsgesetz nur gegründet werden, wenn die Konzernspitze in Deutschland ansässig ist. Unternehmen spielen Standorte gegeneinander aus. Atypische und oft prekäre Beschäftigungsverhältnisse, die der betrieblichen Mitbestimmung teilweise entzogen sind, breiten sich aus. Das heutige Mitbestimmungsmodell gelangt hier an seine Grenzen.

Ähnliches gilt auch bei der Leiharbeit und bei Werkverträgen. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in den letzten Jahren die Rechte der Leiharbeitnehmer gestärkt. Erstmals werden sie im Entleiherbetrieb mitgezählt beim Schwellenwertes für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes wie auch bei Betriebsänderungen, wenn es um Regelungen von Interessenausgleich und Sozialplan geht sowie für die Festlegung der Betriebsratsgröße. Jedoch fehlen Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte bezüglich der Anzahl der Leiharbeitnehmer im Betrieb. Und es fehlen klare Regeln für die Mitbestimmung in deren sozialen Angelegenheiten.

Noch problematischer gestaltet sich Betriebsratsarbeit im Hinblick auf Werkvertragsnehmer. Hier geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass der Betriebsrat kein Mandat hat. Zur Eindämmung von Leiharbeit und Werkverträgen sind harte Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte nötig; die §§ 99 und 87 des Betriebsverfassungsgesetzes müssen entsprechend reformiert werden. Auch die in §§ 92 und 92a geregelten Rechte der Betriebsräte bei Personalplanung und Beschäftigungssicherung müssen über reine Informations- und Beratungsrechte hinausgehen.

Die Gewerkschaften fordern seit Langem eine deutliche Ausweitung der Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten. Im Koalitionsvertrag von SPD und CDU finden sich leider keine Zusagen, die betriebliche Mitbestimmung auszuweiten – nur vage Absichtserklärungen, die Umgehung von Mitbestimmungsregeln oder den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit verhindern zu wollen und vorhandene Beratungs- und Informationsrechte klarzustellen. Man kann nur hoffen, dass sich die Abgeordneten im Bundestag trotzdem intensiv mit dem Thema auseinandersetzen und entsprechende Reformen in die Wege leiten. Bis dahin bleiben die Arbeitnehmer und ihre Vertreter gefordert, die vorhandenen Beteiligungsrechte aktiv zu nutzen.

Jetzt ist die Gelegenheit, konkret etwas zu verändern. In der Vergangenheit haben Betriebsräte immer wieder eine Vorreiterrolle übernommen und durch ihr Handeln in den Betrieben auch dem Gesetzgeber gezeigt, wo Mitbestimmungsrechte fehlen und Fehlentwicklungen auftreten. Und irgendwann folgte ihnen dann – zumindest hin und wieder – die Politik.

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