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Jérome Lühr und Ralph Berwanger vom Kollektiv Crow Cycle Courier beim Labora-Ideenpitch Magazin Mitbestimmung

Arbeit der Zukunft: Modelle für morgen

Ausgabe 06/2021

Mehr Demokratie und mehr freiwillige Auszeiten für Mitarbeiter – wie das gelingen kann, zeigen die Gewinner des Ideenpitchs bei der Konferenz Labora. Von Andreas Schulte

Von der Probezeit direkt in die Geschäftsführung – eine derart steile Laufbahn wünschen sich viele Beschäftigte. Doch diesen Karrierepfad auf der Überholspur dürfte der Fahrradkurier Crow Cycle Courier Collective wohl als einziges Unternehmen in Deutschland anbieten. Der Gewinner des Ideenpitchs für „Demokratie im Unternehmen“ bei der diesjährigen Labora der Hans-Böckler-Stiftung setzt voll auf eigenverantwortliche Beschäftigte. „In der Kurierbranche herrscht üblicherweise ein extremes Hierarchiegefälle zwischen Managern und Fahrern. Unser Anspruch ist es aber, als Kollektiv zu handeln“, erklärt Mitgründer Jérome Lühr. Wer sich also nach seiner Probezeit bei Crow für den Eintritt in das Kollektiv entscheidet, der habe damit die gleichen Rechte wie alle anderen Kollegen.

Grundlegende Unternehmensentscheidungen treffen die formal selbstständigen Kuriere gemeinsam. Auch über die Verwendung von Budgets entscheidet allein das Kollektiv. Je nach Bedeutung ist für einen Beschluss die einfache Mehrheit des monatlich abgehaltenen Plenums erforderlich oder sogar Einstimmigkeit. Bei der Konsensfindung habe es bislang keine Probleme gegeben, weil ohnehin alle Beschäftigte ähnlich gepolt seien, sagt der Mitgründer Ralph Berwanger. Der Gleichheitsgrundsatz gilt auch in der Lohntüte. Alle knapp 20 Kolleginnen und Kollegen erhalten das gleiche Salär.

Lühr legt zudem Wert darauf, dass die kollektive Grundhaltung über die Grenzen des Jobs hinausreicht. „Wir versuchen, füreinander da zu sein – auch auf emotionaler Ebene“, sagt er. Das ungewöhnliche Firmenkonstrukt hat sich bereits bewährt. Seit vier Jahren beliefert Crow seine Kunden in und um Berlin. 2021 steht ein Jahresumsatz von 250.000 Euro in den Büchern.

Auch die Idee des Instituts für sozialwissenschaftlichen Transfer, kurz Sowitra, befindet sich bereits in der Umsetzung. Sowitra hat die Möglichkeiten zur Einführung von Kurzzeitsabbaticals in Unternehmen erforscht und damit den zweiten Ideenpitch auf der Labora für sich entschieden. Mit diesen flexiblen Auszeiten vom Job sollen Beschäftigte besser auf veränderte Lebensumstände reagieren können als bislang. Als Beispiele nennt Sowitra-Geschäftsführer Stefan Reuyß die Pflege von Angehörigen oder vermehrte Lernzeiten.

Das Neue: Solche Sabbaticals können auch nur wenige Tage dauern – bisher sind meist drei Monate bis ein Jahr üblich. Nach der Idee von Sowitras sollen nun verschiedene Modelle dem unterschiedlichen Bedarf von Arbeitnehmern gerecht werden und die Finanzierung gleich mitliefern: Auf betrieblicher Ebene ließen sich Kurzzeitsabbaticals mit nur wenigen freien Tagen oder Wochen über das Gehalt finanzieren. So könnte dafür ein Anteil vom Lohn oder etwa das Weihnachtsgeld zurückgelegt werden. Etwas längere Auszeiten für Weiterbildung oder beschäftigungssichernde Maßnahmen könnten über Tarifverträge geregelt werden. Eine lange und begründungsfreie Auszeit vom Job soll schließlich auf einer gesetzlichen Verankerung inklusive Teilfinanzierung fußen.

Einige Unternehmen und Organisationen gehen mit Sabbaticals – auch für kurze Auszeiten – bereits vorweg. Die Forscher verweisen auf Beispiele beim Autobauer BMW oder im Tarifvertrag der IG Metall. Hierzulande würden Kurzzeitsabbaticals bislang noch viel zu selten in Betracht gezogen, sagt Reuyß. Vielleicht wird sich dies nun durch den Sieg beim Ideenpitch ändern.

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