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Magazin Mitbestimmung: Keine Panik
Die Angst, dass künstliche Intelligenz (KI) die Herrschaft übernimmt, ist so alt wie die Idee der KI. Doch noch reicht die Leistung der Ingenieursgeschöpfe nicht an die des menschlichen Gehirns heran. Von Fabienne Melzer
In Vorträgen lässt Doris Aschenbrenner, Juniorprofessorin an der Technischen Universität Delft, gerne Mensch gegen Roboter antreten. Sie fragt ihre Zuhörerinnen und Zuhörer, wen sie für stärker, einfühlsamer, kreativer oder den besseren Schachspieler halten. Bei Kraft oder Schach hat die Maschine den Menschen überholt. Vorne liegt der Mensch verständlicherweise bei Einfühlungsvermögen und Anteilnahme. Im Gegensatz zum Roboter kann der Mensch aus seinen Beobachtungen nicht nur Schlüsse ziehen, er kann sich daraus auch ein Urteil bilden. Auch in anderer Hinsicht kommt die künstliche Intelligenz nicht an das menschliche Gehirn heran. „Es ist effizienter sowohl was Platz- als auch Energieverbrauch angeht“, sagt Doris Aschenbrenner. „Das menschliche Gehirn ist der absolute Wahnsinn, und wir wissen gar nicht, wie es genau funktioniert.“
Deshalb unterscheidet die Wissenschaft zwischen starker und schwacher KI. Die starke KI gibt es bisher nur im Kino, wo Roboter auf der Leinwand denken und handeln wie Menschen. Schwache KI gehört zum Alltag der meisten Menschen, wenn ihnen etwa ihre Musikplattform Musiktitel anhand ihrer Hörgewohnheiten anbietet oder das Smartphone seinen Besitzer selbst nach einer langen Nacht am Gesicht erkennt. Eine menschenähnliche KI hält Doris Aschenbrenner für unerreichbar. Die Angst vieler Menschen vor der Technik könnte mit Erfahrungen am Arbeitsplatz zusammenhängen: „In der Produktion herrscht immer noch das Denken: Der Mensch muss sich der Maschine anpassen.“
Die Wissenschaftlerin verfolgt einen anderen Ansatz: KI soll den Menschen monotone Arbeit abnehmen, ihn unterstützen, aber sie soll ihn nicht entmündigen. Niemand will sich die nächsten 20 Jahre von der Maschine sagen lassen, was er zu tun hat. „Menschenzentrierte Innovationssysteme“ heißt das Ziel und der Arbeitskreis, den Doris Aschenbrenner leitet. Er ist Teil der Denkfabrik, ein Thinktank des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. „Wir wissen sehr gut, was KI kann“, sagt Aschenbrenner. „Bei aller Forschung haben wir aber zu wenig an den Menschen gedacht, der die Technik anwenden soll.“ Sie plädiert dafür, Beschäftigte neue System mitentwickeln zu lassen, macht sich für kleinteilige Lösungen stark, die an die jeweilige Aufgabe angepasst werden. Hier sieht sie auch Gewerkschaften und Betriebsräte gefordert. „Wenn Arbeitnehmervertreter keine eigenen Lösungen haben, werden sie bei der Abwehr der Lösungen der Gegenseite immer verlieren.“
Viele Menschen treibt auch die Angst um, durch Maschinen überflüssig zu werden. Eine Rationalisierungswelle sieht Aljoscha Burchardt vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz allerdings nicht. Er gehört ebenfalls zum Arbeitskreis von Doris Aschenbrenner und ist überzeugt, dass angesichts des demografischen Wandels mehr Arbeit von Maschinen übernommen werden muss. „Wir haben einen Fachkräftemangel“, sagt Burchardt. „Allein in der Verwaltung werden laut Schätzungen bis 2030 rund 40 Prozent der Beschäftigten in Rente gehen.“ Dabei werde uns die Arbeit so bald nicht ausgehen. Im Gegenteil: Gerade für die Zeit der Umstellung erwartet Burchardt eine größere Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft.
Wo Maschinen Menschen entlasten können, sollten sie seiner Ansicht nach auch eingesetzt werden. Monotone Arbeiten machen niemandem Spaß, und Computer können sie meist besser erledigen. Urteile werden auch in Zukunft von Richtern gefällt werden. 30 Regalmeter Akten könnten sie jedoch mithilfe von KI schneller auswerten und beispielsweise alle Eigen- und Ortsnamen heraussuchen lassen. Insgesamt verlaufe in dieser Frage ein Riss durch die Generationen. „Die Älteren sagen, sie arbeiten mit der Umlaufmappe, bis sie in Rente gehen. Die Digitalisierung sollen die Jungen übernehmen“, sagt Burchardt. Für ihn eine durch und durch unsolidarische Lösung. Die Jungen sind zu wenige, kennen Aufgaben und Kunden noch nicht und müssten selbst noch in Digitalisierung fit werden.
Künstliche Intelligenz kann Beschäftigte individuell unterstützen und Barrieren im Arbeitsleben für Menschen mit Behinderungen abbauen. Sie kann aber auch missbraucht werden. Die Systeme produzieren unendlich viele Daten: wie schnell oder wie langsam jemand arbeitet, wer welche Fehler macht und vieles mehr. Auch die Wissenschaftler sehen die Gefahr. Allerdings könne die Lösung nicht sein, auf die Technik zu verzichten. „Wenn wir nicht unsere eigenen Lösungen finden, werden wir über kurz oder lang Ethik aus China und Datenschutz aus den USA bekommen“, sagt Burchardt.
Doris Aschenbrenner sieht die Lösung in einer digitalen Mündigkeit und würde gerne an die Arbeiterbildung anknüpfen. „In den Gewerkschaften hat sie eine lange Tradition.“ Würden Beschäftigte und ihre Interessenvertreter die Technik besser verstehen, hofft die Wissenschaftlerin, könnten sich manche Ängste in Luft auflösen. Denn der Mensch ist in vielerlei Hinsicht der KI überlegen und wird es auch noch lange bleiben.
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Mehr zur Arbeit der Denkfabrik unter: denkfabrik-bmas.de