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Magazin MitbestimmungPolitisches Lied: Hart am Limit
Die ehemaligen Mitbewohner Jean Peters und Danger Dan tauschen sich bei einem Salon, darüber aus, wie man die Grenzen der Kunstfreiheit ausloten könnte. Am nächsten Morgen schreibt der Rapper der Antilopen-Gang eine Song und bekommt dafür viel Applaus.
Danger Dan: „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ (2021)
Juristisch wär die Grauzone erreicht
Doch vor Gericht machte ich es mir wieder leicht
Zeig mich an und ich öffne einen Sekt
Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt
Der Journalist und Aktionskünstler Jean Peters, Mitglied der Aktionskunstgruppe Peng! Kollektiv, hat Gleichgesinnte zum Salon eingeladen: Freunde, Kunstschaffende, Medienleute. Bei Käse und Wein fragen sie sich, warum linke Künstler nicht konsequenter den legalen Spielraum ausnutzen. Peters, ein Mann mit vielen Pseudonymen, liebt öffentlichkeitswirksame Protestaktionen. 2016 bewarf er, als Clown verkleidet, die AfD-Politikerin Beatrix von Storch mit einer Torte. Gerade hat er ein Buch über subversiven Widerstand geschrieben: „Wenn die Hoffnung stirbt, geht’s trotzdem weiter“. Unter den Gästen seines subversiven Salons ist Daniel Pongratz, mit dem Peters mal eine WG hatte. Pongratz rappt unter dem Namen Danger Dan im Hip-Hop-Trio Antilopen Gang.
Am nächsten Morgen schreibt Pongratz einen Songtext, der, wie besprochen, Grenzen auslotet: „Also jetzt mal ganz spekulativ/Angenommen, ich schriebe mal ein Lied/In dessen Inhalt ich besänge, dass ich höchstpersönlich fände/Jürgen Elsässer sei Antisemit“. Elsässer hatte 2014 Jutta Ditfurth verklagt, weil sie ihn einen „glühenden Antisemiten“ genannt hatte. Pongratz reizt noch weitere Figuren der rechten und neurechten Szene, den Publizisten Götz Kubitschek, Alexander Gauland. Verschwörungsfanatiker Ken Jebsen bekommt eine eigene Strophe; er hatte 2015 Danger Dans Band wegen eines Songs verklagt – und verloren. Jede Strophe endet mit einem vorweggenommenen Triumph: „Klag mich an und ich öffne einen Sekt/Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“. Im Interview mit dem Magazin Der Spiegel erzählt Peters, dass er den Text drei befreundeten Juristen gegeben habe. Pongratz trägt den Text nicht als Rap vor, sondern als Klavierballade in der Tradition der großen Spötter wie Georg Kreisler, Tom Lehrer oder Franz Josef Degenhardt. Im Video dazu sitzt er vor einem leeren Theatersaal in Bomberjacke am Flügel.
In der vierten Strophe wechselt der Song in den Indikativ: „Jürgen Elsässer ist Antisemit, Kubitschek hat Glück, dass ich nicht Bogen schieß… Gauland wirkt auch eher wie ein Nationalsozialist“. Und dann weiter: „Faschisten hören niemals auf, Faschisten zu sein, man diskutiert mit ihnen nicht, hat die Geschichte gezeigt“. In einem furiosen Schlussteil rät Danger Dan, Staat und Polizeiapparat nicht zu trauen, behauptet schließlich, der Verfassungsschutz habe den NSU mit aufgebaut und die Polizei den Asylbewerber Oury Jalloh gefesselt und angezündet. Ein Text, der den Staat auf die Probe stellt: Wenn schon Polizei und Verfassungsschutz beim Schutz vor rechter Gewalt versagen, dann werden doch die Gerichte standhaft bleiben? „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“. Im Video hantiert Danger Dan mit einem Maschinengewehr und singt: „Und wenn du friedlich gegen die Gewalt nicht ankommen kannst/Ist das letzte Mittel, das uns allen bleibt, Militanz.“ Was, mit der Kalaschnikow in der Hand gesungen, wie eine Drohung klingt, steht in sehr ähnlicher Form im Grundgesetz: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“
Am Ende des Videos wird Danger Dan mit Tomaten, Eiern und Torten beworfen – eine Referenz an seinen Torten werfenden Mitbewohner. Mit ernster Miene hält der Sänger stand, verbeugt sich vor leerem Saal und tritt von der Bühne ab.