Quelle: HBS
Magazin Mitbestimmung: Editorial
Vorsicht Firmenpiraten!
In den 80er Jahren wurde der Kapitalismus neu erfunden. In den USA tauchten "Raider" (Räuber) und Firmenpiraten auf, die den Aktionären lukrative Angebote zur Übernahme ihrer Aktien machten; mit ihren Anteilen kaperten sie die Unternehmen, warfen die Manager raus, schlachteten die Unternehmen aus, und viele Arbeitnehmer waren ihren Job los. So macht es auch der Händler Gordon Gekko im Film "Wall Street".
Seit einigen Jahren ist solches Angriffsverhalten in Mode und in die Wirtschaft gekommen, mit einer Begrifflichkeit, die eher an das Bandenwesen als an honorige Wirtschaftsakteure erinnert. Feindliche Übernahmen sind heute an der Tagesordnung; als externe Unternehmenskontrollewirken sie wie "eine Methode mit dem Vorschlaghammer, die ganz oder gar nicht draufhaut", so der Bank- und Finanzwissenschaftler Reinhard H. Schmidt im Interview mit dem Magazin Mitbestimmung (Seite 32).
Es ist ein radikaler Systemwechsel - weg von unserem Wirtschaftssystem, bei dem langfristiges Unternehmenswachstum, Kooperation, Vertrauen und Loyalität entscheidende Elemente unserer ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit sind, hin zu einem Finanzmarkt-Kapitalismus, in dem die neuen Eigentümer die Manager zwingen, der Shareholder-Value-Logik zu folgen (siehe dazu Paul Windolf, Seite 16).
Die feindliche Übernahme von Thyssen durch Krupp, finanziert von der Deutschen Bank, das Kaputtmachender deutschen Grohe-Werke durch den Finanzinvestor Texas Pacific Group, der schmähliche Abgang des Managements der Deutschen Börse, betrieben von einem kleinen Fonds - in diesen Episoden spiegelt sich der Systemwechsel. Angefeuert wird er durch die globalen Finanzmärkte und die Billionen Dollar der privaten Pensionsfonds.
"Finanzinvestoren gehen mit dir nicht durch dick und dünn, die sind bald wieder weg", beschreiben die Betriebsratsspitzen von MTU Aero Engines die Lage (Seite 10). Welche Rolle wird die Mitbestimmung der Arbeitnehmer - zumal im Aufsichtsrat - in diesem neuen Finanzmarkt-Kapitalismus spielen? Und welche Chancen haben wir, zentrale Elemente unseres Systems eines kooperativen Kapitalismus zu erhalten?
Diese Debatte müssen wir führen, zum Beispiel in diesem Heft.
Cornelia Girndt cornelia-girndt@boeckler.de