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Cover Jubiläumsausgabe zu 70 Jahre Stiftung Mitbestimmung Magazin Mitbestimmung

70 Jahre: Die Stiftung feiert Geburtstag

Wann ein Mensch Geburtstag hat, ist leicht zu sagen. Bei Organisationen ist die Frage manchmal schwieriger zu beantworten. Von Karl Lauschke

Die Hans-Böckler-Stiftung in ihrer modernen Form entstand erst 1977. Doch genau vor 70 Jahren, im Jahr 1954, wurden kurz hintereinander zwei Organisationen gegründet, die die Keimzelle unserer Stiftung waren. An sie soll dieses Heft erinnern. Beide sind aus dem gewerkschaftlichen Kampf um die Mitbestimmung hervorgegangen.

Es war das Anliegen des ersten Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Hans Böckler, „dass endlich die Arbeiter und Angestellten Wirtschaftsbürger werden und nicht länger Wirtschaftsuntertanen seien“, weil der politischen Demokratie die wirtschaftliche Demokratie zur Seite gestellt werden sollte. Unter Böcklers Leitung wurde die paritätische Mitbestimmung in der Montanindustrie durchgesetzt, die im Mai 1951 in Kraft trat. Die notwendige Unterstützung für diese neue Aufgabe in den Unternehmen erhielten die Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten und die Arbeitsdirektoren durch Vorträge und Arbeitstagungen, die zunächst vom Wirtschaftswissenschaftlichen Institut (WWI) des DGB organisiert wurden. Der im November 1952 gegründete Verein für soziale Betriebspraxis sowie die Gesellschaft für soziale Betriebspraxis, die es sich zur Aufgabe machten, die sozialen und humanen Aspekte der Mitbestimmung wissenschaftlich zu erforschen und eine entsprechende Praxis zu fördern, setzten diese Arbeit fort. Sie blieb jedoch auf den Bereich der Eisen- und Stahlindustrie begrenzt.

Die Hans-Böckler-Gesellschaft

Angesichts der Angriffe auf die Montanmitbestimmung, die im April 1953 im Mannesmann-Konzern begannen und schließlich am 22. Januar 1955 in einem eintägigen Proteststreik gipfelten, sahen sich die Gewerkschaften gezwungen, diese hart erkämpfte Errungenschaft auf möglichst breiter Front zu verteidigen.

Am 23. April 1954 gründeten deshalb der DGB, die IG Metall und die IG Bergbau in Essen die Hans-Böckler-Gesellschaft zur Förderung der Mitbestimmung in Theorie und Praxis. Personell wurde die Arbeit von wenigen hauptamtlichen Kräften getragen und durch Mitgliedsbeiträge finanziert. Die Hans-Böckler-Gesellschaft gab ab Januar 1955 eine Monatszeitschrift unter dem Namen „Das Mitbestimmungsgespräch“ heraus – das heutige Magazin Mitbestimmung. In einer eigenen Schriftenreihe wurden Forschungsergebnisse aber auch juristische Handreichungen für die Praxis veröffentlicht. Dank zahlreicher Juristen, Betriebswirte, Arbeitswissenschaftler und Soziologen, die sich den Gewerkschaften verbunden fühlten, konnten Informations- und Fortbildungsveranstaltungen  organisiert werden, und in dem Maße, wie der Kreis der Mitglieder in den folgenden Jahren über den Bereich der Montanindustrie hinaus erweitert wurde, wuchsen auch die Aktivitäten der Hans-Böckler-Gesellschaft. Es entstanden regionale und branchenbezogene Arbeitskreise und Arbeitsgemeinschaften im gesamten Bundesgebiet.

Mit Beginn der sozialliberalen Koalition im Oktober 1969, die angetreten war, „mehr Demokratie zu wagen“, intensivierte die Hans-Böckler-Gesellschaft ihre Anstrengungen, die paritätische Mitbestimmung über den Bereich der Montanindustrie gesetzlich auszuweiten. Dem dienten auch die „Studien zur Mitbestimmungstheorie und Praxis“, die ab 1973 herausgegeben wurden.

Die Stiftung Mitbestimmung

Parallel zur Hans-Böckler-Gesellschaft wurde am 1. Mai 1954 die Stiftung Mitbestimmung gegründet. Ihre vordringliche Aufgabe bestand darin, angesichts ungleicher Bildungschancen begabte Studierende aus der Arbeitnehmerschaft materiell zu fördern. Die Mittel dazu kamen aus den Bezügen und Vergütungen, die Gewerkschafter in Aufsichtsräten und Vorständen zu einem beträchtlichen Teil für diesen gemeinnützigen Zweck abführen mussten. Der Aufgabe, die Wissenschaft zu fördern, die sich mit der Mitbestimmung auseinandersetzt, kam die Stiftung Mitbestimmung dadurch nach, dass sie als korporatives Mitglied der Hans- Böckler-Gesellschaft ab 1957 finanzielle Mittel zur Verfügung stellte.

Da neben höheren Spendeneinnahmen ab 1970 durch wachsende staatliche Zuwendungen für die Studienförderung mehr finanzielle Mittel bereitstanden, konnte die Stiftung Mitbestimmung nicht nur die Studienförderung nachhaltig verbessern, sondern sich auch stärker der Förderung arbeitnehmerorientierter wissenschaftlicher Projekte zuwenden; dazu wurde 1973 ein eigenes Referat eingerichtet, das in der Folge immer weiter ausgebaut wurde. Das gesellschaftskritische Engagement der 68er Bewegung begünstigte diese Arbeit. Es belebte den Dialog zwischen den Gewerkschaften und der Wissenschaft an den Hochschulen und eröffnete den Gewerkschaften wichtige Ressourcen für ihre Arbeit.

Am 1. Juli 1976 trat nach langen Auseinandersetzungen das Mitbestimmungsgesetz in Kraft. Auch wenn die Forderung der Gewerkschaften nach der Gleichberechtigung von Arbeit und Kapital unerfüllt blieb, änderten sich doch die Bedingungen für die Arbeit sowohl der Hans-Böckler-Gesellschaft als auch der Stiftung Mitbestimmung. Um ihre Kräfte zu bündeln und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die das Gesetz bot, schlossen sich beide Institutionen, die schon zuvor eng kooperiert hatten, am 1. Juli 1977 zur Hans-Böckler-Stiftung zusammen. Das ist der Grund, im Jahr 2027 schon wieder Geburtstag zu feiern.

Wir wollten so lange nicht warten und haben die Gründung der beiden Vorgänger zum Anlass genommen, Menschen, die der Hans-Böckler-Stiftung verbunden sind, um ihre Gedanken zur Stiftung zu bitten und um ein Wort, das sie mit Mitbestimmung verbinden.
 

Zur Jubiläumsbroschüre (PDF)

:Statements zum 70.

Eva Kocher Europa-Universität Viadrina. Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Europäisches und Deutsches Arbeitsrecht, Zivilverfahrensrecht, mit Schriftzug 'Demokratie'
Pascal Meiser bis März 2024 Bundestagsabgeordneter (Die Linke), mit Schriftzug 'links'
Guido Zeitler Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung- Genuss-Gaststätten (NGG), mit Schriftzug 'Einmischen
Porträt Enzo Weber, IAB Nürnberg mit Schriftzug 'Zusammenarbeit'
Christiane Benner Erste Vorsitzende der IG Metall, mit Schriftzug '#fairändern'
Inken Gallner Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, mit Schriftzug 'gelebte Demokratie'
Michael Vassiliadis Vorsitzender der Gewerkschaft IGBCE, mit Schriftzug 'Mach2n'
Sara Nanni Bundestagsabgeordnete (Bündnis 90/Grüne), mit Schriftzug 'Sichtbar'
Jutta Allmendinger Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), mit Schriftzug 'Ermächtigen'
Karl-Josef Laumann Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, mit Schriftzug 'Demokratie'
Tanja Machalet SPD-Bundestagsabgeordnete und Alumna der Hans-Böckler-Stiftung
Martin Burkert Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), mit Schriftzug 'Stärke
Maike Finnern Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), mit Schriftzug 'Gestalten'
Kerstin Jürgens Professorin für Mikrosoziologie an der Universität Kassel, mit Schriftzug 'Bewegen'
Berthold Vogel Geschäftsführender Direktor am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) an der Georg-August-Universität, mit Schriftzug 'Verbinden'
Yasmin Fahimi, DGB-Vorsitzende mit Schriftzug 'Macht'
Robert Feiger Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar- Umwelt (IG BAU), mit Schriftzug 'Entscheiden'
Frank Werneke Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, mit Schriftzug 'Gestaltungskraft = Superkraft
Ute Klammer Geschäftsführende Direktorin des Instituts Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen, mit Schriftzug 'Empowerment'
Katja Nebe Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Recht der Sozialen Sicherheit an der Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg, mit Schriftzug 'Staunen'
Jochen Kopelke Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), mit Schriftzug 'Einmischen'
Eva Kocher Europa-Universität Viadrina. Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Europäisches und Deutsches Arbeitsrecht, Zivilverfahrensrecht, mit Schriftzug 'Demokratie'
Pascal Meiser bis März 2024 Bundestagsabgeordneter (Die Linke), mit Schriftzug 'links'
Guido Zeitler Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung- Genuss-Gaststätten (NGG), mit Schriftzug 'Einmischen
Porträt Enzo Weber, IAB Nürnberg mit Schriftzug 'Zusammenarbeit'
Christiane Benner Erste Vorsitzende der IG Metall, mit Schriftzug '#fairändern'
Inken Gallner Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, mit Schriftzug 'gelebte Demokratie'
Michael Vassiliadis Vorsitzender der Gewerkschaft IGBCE, mit Schriftzug 'Mach2n'
Sara Nanni Bundestagsabgeordnete (Bündnis 90/Grüne), mit Schriftzug 'Sichtbar'

Bundestagsabgeordnete Bündnis 90/Grüne: Sara Nanni

Mitbestimmung ist ein hohes Gut. Deshalb gibt es bei uns einen erweiterten Betriebsrat, der sich aus dem Betriebsrat der grünen Bundestagsfraktion und der Interessenvertretung von gewählten Vertreter*innen aus den grünen Abgeordneten-Büros zusammensetzt.

Jutta Allmendinger Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), mit Schriftzug 'Ermächtigen'
Karl-Josef Laumann Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, mit Schriftzug 'Demokratie'
Tanja Machalet SPD-Bundestagsabgeordnete und Alumna der Hans-Böckler-Stiftung
Martin Burkert Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), mit Schriftzug 'Stärke
Maike Finnern Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), mit Schriftzug 'Gestalten'
Kerstin Jürgens Professorin für Mikrosoziologie an der Universität Kassel, mit Schriftzug 'Bewegen'

Universität Kassel: Kerstin Jürgens

Ein besonderer Moment der Mitbestimmung: Ich habe ab 2015 mit dem damaligen DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann den Vorsitz der Expertenkommission „Arbeit der Zukunft“ der Hans-Böckler-Stiftung führen dürfen.

Berthold Vogel Geschäftsführender Direktor am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) an der Georg-August-Universität, mit Schriftzug 'Verbinden'
Yasmin Fahimi, DGB-Vorsitzende mit Schriftzug 'Macht'
Robert Feiger Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar- Umwelt (IG BAU), mit Schriftzug 'Entscheiden'
Frank Werneke Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, mit Schriftzug 'Gestaltungskraft = Superkraft
Ute Klammer Geschäftsführende Direktorin des Instituts Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen, mit Schriftzug 'Empowerment'
Katja Nebe Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Recht der Sozialen Sicherheit an der Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg, mit Schriftzug 'Staunen'
Jochen Kopelke Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), mit Schriftzug 'Einmischen'

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