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IBM Magazin Mitbestimmung

Betriebsrätepreis: Das letzte Wort hat der Mensch

Ausgabe 01/2022

Noch stehen viele Betriebe beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz am Anfang. Für den Betriebsrat von IBM war das höchste Zeit, den Umgang mit KI zu regeln. Von Maren Knödl

Sie beantworten häufige Fragen von Kunden, empfehlen Beschäftigten Schulungen und werden irgendwann bei IBM Deutschland wohl auch Gehaltsvorschläge machen: Systeme, die auf Künstlicher Intelligenz – kurz KI – basieren. Doch egal was KI zukünftig noch leistet, eins wird sie bei IBM nicht haben: das letzte Wort. Am Ende entscheidet immer der Mensch. So steht es in der Rahmenvereinbarung zum Einsatz von KI-Systemen, die der Betriebsrat von IBM mit dem Unternehmen abgeschlossen hat.

Mit ihrer Vereinbarung ist die Arbeitnehmervertretung von IBM vielen Unternehmen voraus. Denn mit der Digitalisierung kommt einiges auf sie zu, und darauf wollten sich der Betriebsrat, aber auch die Beschäftigten vorbereiten. In einer Umfrage des Center for Advanced Internet Studies (CAIS) zusammen mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gaben 50 Prozent der Befragten an, dass sie Angst haben, Betriebe könnten durch KI weniger transparent mit ihren Daten umgehen. 40 Prozent fürchten, durch deren Einsatz vermehrt am Arbeitsplatz überwacht zu werden. Solchen Ängsten will Frank Remers, Sprecher des Fachausschuss Personaldatensysteme des Konzernbetriebsrats, mit der Vereinbarung vorbeugen. „Die Beschäftigten sollen nicht das Gefühl haben, diesen Systemen ausgeliefert zu sein.“ Wie wichtig solche Regeln für den digitalen Wandel sind, betont auch Isabel Eder, Abteilungsleiterin für Mitbestimmung und Betriebsverfassung bei der IG BCE und Jurymitglied beim Betriebsrätepreis: „Die Akzeptanz für KI durch die Mitarbeiter ist unverzichtbar.“

Für diese Weitsicht sind Frank Remers und seine Kollegen nun für den Betriebsrätepreis 2021 nominiert worden. Remers freut sich über die Würdigung, vor allem weil Betriebsräte oft an Dingen arbeiten, von denen sie zwar selbst überzeugt sind, aber selten erfahren, wie Außenstehende es sehen. Bereits im Herbst 2019 konzipierte er mit seinem Arbeitskreis die Inhalte einer Rahmenvereinbarung. Damals führte IBM an einigen Standorten im Ausland ein KI-System ein, das Vorgesetzten Gehaltsvorschläge für ihre Beschäftigten machen sollte. „Wenn da Transparenz und Kommunikation nicht richtig funktionieren, führt das bei den Arbeitnehmenden schnell zu Misstrauen“, weiß der Betriebsrat.  Vor einem möglichen Einsatz in Deutschland sollten daher einige Grundregeln festgelegt werden.

Die wichtigste: Am Ende entscheidet immer der Mensch. Darin sei man sich schon lange mit der Unternehmensführung einig. Genauso wichtig seien aber auch Transparenz und Verständnis von KI-gesteuerten Systemen. Für Beschäftigte soll jeder Zeit ersichtlich sein, mit welchen Daten ein System gespeist wurde, und auf welchem Weg es zu seinem Ergebnis kam. Dabei orientierte sich der Betriebsrat an den Werten, die die Europäische Union und die Enquete-Kommission des Bundestages im Zusammenhang mit KI festgelegt haben. „Eine vergleichbare Vereinbarung, bei der wir uns etwas hätten abschauen können, gab es nicht“, sagt Remers. 

Also erarbeiteten sich die Arbeitnehmervertreter, Arbeitgebervertreter und die Schwerbehindertenvertretung von IBM in ihrem Arbeitskreis diese selbstständig. Es entstand die Idee für einen eigenen Regelkreis, je nachdem welche Risiken von einem System ausgehen. Solche Bewertungen gibt es bereits für den gesellschaftlichen Kontext. Die Enquete-Kommission stuft beispielsweise Buchempfehlungen bei Amazon als unbedenklich ein, wohingegen KI-unterstütze Drohnen gesellschaftlich eher geächtet werden. Im betrieblichen Kontext von IBM fallen in die Kategorien 1 und 2 Systeme, deren Informationen nur für den Beschäftigten und dessen direkten Vorgesetzten sichtbar sind. Kategorie 3 und 4 umfassen etwa Vorschläge eines Systems, die einen starken Einfluss auf die Tätigkeit oder Einstufung von Kolleginnen und Kollegen haben. Automatisierte Entscheidungen ohne die Vorabkontrolle durch einen Menschen fallen in Kategorie 5 und sind mit der Betriebsvereinbarung nicht vereinbar. 

Eine Errungenschaft der Vereinbarung ist der KI-Ethikrat. Er besteht aus KI-Fachleuten der IBM, sowie Vertretern des Betriebsrats, der Personalabteilung und der Konzernschwerbehindertenvertreterin. Einmal im Monat kommt er zusammen, um sich eingesetzte KI-Systeme anzuschauen. Bisher seien diese noch überschaubar, sagt Frank Remers. Aber der Bereich entwickelt sich schnell. „Sobald wir erste Erfahrungen gesammelt haben, werden wir die Rahmenvereinbarung nochmal überarbeiten“, so Remers. Betriebsratsarbeit in Echtzeit so zusagen.


Weitere Informationen:

Auf unserer Übersichtseite Deutscher Betriebsrätetag

Der Deutsche Betriebsrätepreis ist eine Initiative der Fachzeitschrift „Arbeitsrecht im Betrieb“ des Bund-Verlags. Mit dem Preis werden seit 2009 alljährlich Praxisbeispiele vorbildlicher Betriebsratsarbeit ausgezeichnet. Er wird auf dem Deutschen Betriebsrätetag in Bonn verliehen, der in diesem Jahr vom 9. bis 11. November stattfindet.
www.betriebsraetetag.de

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