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ERNESTO KLENGEL ist Referent für Arbeitsrecht am HSI der Hans-Böckler-Stiftung. Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: Betriebsratsvergütung – eine Frage der Gerechtigkeit

Ausgabe 01/2024

Ernesto Klengel vom Hugo Sinzheimer Institut geht den Hintergründen nach.

Betriebsräte engagieren sich für ihre Belegschaften und die Mitbestimmung. Die richtige Vergütung für sie ist daher eine Frage der Gerechtigkeit, die aktuell aufgrund eines Strafurteils wieder intensiver diskutiert wird. Dabei trifft das Gesetz einige schnörkellose Aussagen: Betriebsräte übernehmen nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Ehrenamt,  für das sie ganz oder stundenweise von der Arbeit bezahlt freigestellt werden. Aus ihrem Amt sollen ihnen weder Vor- noch Nachteile erwachsen. Daher besagt das BetrVG, dass das Entgelt „nicht geringer bemessen werden (darf) als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung“.

In der Praxis gehört zur Übernahme des Betriebsratsamts auch Mut. Gerade in kleineren und mittelgroßen Betrieben weht Betriebsräten nicht selten ein harter Wind entgegen. Oft müssen sie Nachteile für ihr persönliches Fortkommen in Kauf nehmen.

So stellen Gerichte an den Nachweis, was im Rahmen der „betriebsüblichen beruflichen Entwicklung“ ein vergleichbarer Karriereschritt für den Betriebsrat gewesen wäre, sehr hohe Anforderungen. Das Ergebnis: Stellt sich der Arbeitgeber quer, ist es fast aussichtslos, eine betriebsübliche Vergütungsentwicklung geltend zu machen. Auch die Qualifikationen, die Betriebsratsmitglieder bei der Ausübung ihres Ehrenamts erwerben, sollen nach der aktuellen Rechtslage keine  ausreichende Berücksichtigung finden. Der DGB kritisiert dies schon lange und hat Lösungen im „Entwurf für ein modernes Betriebsverfassungsgesetz“ vorgelegt.

Den Anlass für die neue, berechtigte Aufregung hat ein Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) gegeben. Er hat in einem aktuellen Verfahren nicht nur sehr hohe Anforderungen an den Nachweis einer positiven Vergütungsentwicklung gestellt. Sollte man Anforderungen für den Nachweis der „hypothetischen Karriere“ nicht nachkommen können, winkt als harte Sanktion unmittelbar das Strafrecht. Durch diese Auslegung wird der vom Gesetz bezweckte Schutz vor Benachteiligung in sein Gegenteil verkehrt. Viele Betriebsräte sind verärgert, weil solche Entscheidungen das Zeug dazu haben, die Mitbestimmung als Ganzes in Misskredit zu bringen.

Hinzu kommen handfeste Folgen: Landauf, landab berichten Betriebsräte davon, dass Unternehmen die bisherige Praxis zur Vergütung infrage stellen. Dies hat zwar nichts mit der Entscheidung zu tun, erschwert aber die Betriebsratsarbeit und zieht zahlreiche neue Gerichtsverfahren nach sich. Noch schwerwiegender aber ist das langfristige Problem: Es wird schlicht schwerer, die Besten für das Amt zu gewinnen oder im Amt zu halten.

Im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums hat nun eine Expertenkommission einen Vorschlag erarbeitet, die Betriebsratsvergütung gerecht und rechtssicher zu regeln, den die Bundesregierung als Gesetzentwurf eingebracht hat. Im Wesentlichen werden darin die bisherigen Leitlinien des Bundesarbeitsgerichts in Gesetzesform gegossen, die Problematik der Strafbarkeit nach dem BGH-Urteil wird entschärft. So wird klarer gefasst, worauf es ankommt, um die Kolleginnen und Kollegen zu bestimmen, die für die Entgeltentwicklung im Laufe der Karriere als vergleichbar gelten. Besonders innovativ: Der Kreis kann im Voraus zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber vereinbart werden. Allerdings muss der Arbeitgeber mitziehen. Tut er es nicht, kann es weiter zu Nachteilen aufgrund der Betriebsratsarbeit kommen.

Diese Reform sollte bald umgesetzt werden, da sie für den Status Quo wichtige Fragen klärt. Ein Schlusspunkt unter die Diskussion über eine gerechte Betriebsratsvergütung wird damit aber nicht gesetzt.


ERNESTO KLENGEL ist Wissenschaftlicher Direktor des Hugo Sinzheimer Instituts (kommissarisch).

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