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Wie Digitalisierung wirkt Böckler Impuls

Arbeitswelt: Wie Digitalisierung wirkt

Ausgabe 09/2024

Neue Technologien können die Arbeit erleichtern – oder das Gegenteil bewirken. Eine entscheidende Rolle spielen Weiterbildung und Beteiligung der Beschäftigten.

Die Einführung neuer digitaler Technologien führt kurzfristig nicht zu größeren Arbeitsplatzverlusten. Dennoch gibt es spürbare Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Dabei zeichnen sich gegenläufige Entwicklungen ab: Während Beschäftigte in einigen Betrieben entlastet werden, sehen sich andere mit einem erhöhten Arbeitsdruck konfrontiert. Das ist das Ergebnis einer Analyse von Toralf Pusch vom WSI sowie Muhamed Kudic, Marc Gerbracht und Jacob Hochhaus von der Universität Siegen.

Grundlage ist die repräsentative WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 2023, an der mehr als 3700 Betriebs- und Personalräte teilgenommen haben. Erhoben wurden Daten zur Einführung digitaler Technologien im Jahr vor der Befragung. Diese umfassen das Internet der Dinge, das heißt die Kommunikation mit Gegenständen oder Maschinen über das Internet, Managementinformationssysteme, die Informationen zur Entscheidungsfindung liefern, Plattformdienste und Cloud-Lösungen, etwa Software, die nicht auf lokalen Rechnern, sondern im Internet gespeichert ist, audiovisuelle Technologien, zum Beispiel Virtual-Reality-Brillen sowie künstliche Intelligenz, beispielsweise maschinelles Lernen oder Muster- und Bilderkennungsverfahren.

Gut die Hälfte der privatwirtschaftlich geführten Betriebe und knapp die Hälfte der Dienststellen haben im Jahr vor der Befragung mindestens eine dieser Technologien eingeführt, am häufigsten Plattformdienste oder Cloud-Lösungen. In den meisten Fällen wurde vor der Einführung keine Bedarfsanalyse unter den Beschäftigten durchgeführt. In etwa der Hälfte der Betriebe und Dienststellen wurden die Beschäftigten jedoch zumindest in dem Sinne einbezogen, dass die Technologien in mehreren Runden eingeführt wurden und die Beschäftigten die Möglichkeit hatten, Feedback zu geben.

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Die Beteiligung der Beschäftigten beziehungsweise ihrer Interessenvertretungen dürfte sich direkt auf die Akzeptanz und damit auch auf die Effekte neuer Technologien auswirken, erklären die Wissenschaftler. Wie Mitbestimmungsrechte im Zusammenhang mit Digitalisierung sinnvoll gestärkt werden können, zeigt ein Entwurf zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, den Juristinnen und Juristen aus Gewerkschaften, Hochschulen und der Hans-Böckler-Stiftung vorgelegt haben. „Die Digitalisierung verändert die Erwerbsarbeit massiv. Ob sich das für die Beschäftigten eher positiv oder negativ auswirkt, hängt entscheidend davon ab, wie die Technik eingesetzt wird“, sagt Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI. „Gerade deshalb ist die Mitbestimmung der Beschäftigten bei der Einführung neuer digitaler Tools so wichtig.“ 

Ein Arbeitsplatzabbau im Zusammenhang mit der Einführung neuer Technologien war laut der WSI-Befragung bislang nur in sehr wenigen Fällen zu beobachten. Im Gegenteil, die Daten deuten auf eine leichte Tendenz zum Beschäftigungsaufbau hin. In den meisten Betrieben hat sich die Beschäftigung nach Angaben der Betriebs- und Personalräte nicht verändert. Die Forscher vermuten, dass dies auch mit dem weitverbreiteten Fachkräftemangel zusammenhängt. Zum einen seien die Betriebe vor diesem Hintergrund stärker bemüht, Beschäftigte zu halten. Andererseits dürften Neueinstellungen, insbesondere von hochqualifizierten Fachkräften im Bereich digitaler Technologien, kurzfristig nicht ohne Weiteres möglich sein. Dies könnte teilweise durch den internen Arbeitsmarkt und Qualifizierungen kompensiert werden.

Deutlicher sind die Auswirkungen auf die Arbeitsintensität: Eine Entlastung gab es nach Angaben der Betriebs- und Personalräte in knapp 20 Prozent der Fälle. Dagegen berichteten rund 30 Prozent von einer Zunahme der Arbeitsbelastung. In rund 50 Prozent der Fälle gab es nach der Einführung der Technik keine Veränderung. Ob es sich bei der Zunahme der Arbeitsbelastung um ein temporäres Phänomen im Zusammenhang mit der Einführung oder um ein dauerhaftes Problem handelt, müssten zukünftige Untersuchungen zeigen, so die Forscher.

Mit der Einführung digitaler Technologien steigt auch der Qualifizierungsbedarf: Nach der WSI-Befragung wurden die Nutzerinnen und Nutzer in drei Viertel der Fälle weitergebildet. Dabei handelte es sich überwiegend um Kurzschulungen, die im Durchschnitt etwa acht bis zehn Stunden dauerten. Dies ist auch vor dem Hintergrund des zum 1. April 2024 eingeführten Qualifizierungsgeldes relevant. Es soll Beschäftigte von Unternehmen unterstützen, die unter besonderem Druck stehen, ihr Geschäftsmodell neu auszurichten. Die im Gesetz formulierte Qualifizierungsdauer von mindestens 120 Stunden wird bei Weiterbildungen im Bereich digitaler Technologien derzeit nur von rund drei Prozent der weiterbildungsaktiven Betriebe erreicht.

Toralf Pusch, Muhamed Kudic, Marc Gerbracht, Jacob Hochhaus: Transformation der Arbeit durch die Einführung neuer digitaler Technologien, Wirtschaftsdienst 5/2024

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