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Wichtig für die Weiterbildung Böckler Impuls

Mitbestimmung: Wichtig für die Weiterbildung

Ausgabe 19/2024

Betriebsräte spielen eine Schlüsselrolle in der Weiterbildung. Um diese ausfüllen zu können, brauchen sie mehr Ressourcen und Rechte.

Betriebsräte treiben die Einführung und die Gestaltung betrieblicher Weiterbildungsangebote aktiv voran. Und sie unterstützen Beschäftigte dabei, entsprechende Angebote wahrzunehmen und damit ihren Arbeitsplatz zu sichern. Wie stark sie sich tatsächlich einbringen können, hängt jedoch in hohem Maße von betriebsspezifischen Faktoren ab, zeigt eine Analyse von Serife Erol vom WSI. Die Sozialwissenschaftlerin hat untersucht, unter welchen Bedingungen sich Betriebsräte für Weiterbildung engagieren. Grundlage der Untersuchung sind Daten der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 2021.

Nach derzeitiger Rechtslage entscheidet der Arbeitgeber über das generelle Weiterbildungsangebot. Der Betriebsrat kann jedoch von seinem Mitbestimmungsrecht Gebrauch machen und die einzelnen Maßnahmen mitgestalten. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Tätigkeiten der Beschäftigten aufgrund von Umstrukturierungen verändern und neue Kenntnisse erforderlich werden. 

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Der Auswertung zufolge wirken sich die Betriebsgröße und Tarifbindung positiv auf die Wahrscheinlichkeit aus, dass sich Betriebsräte stärker in der betrieblichen Weiterbildung engagieren. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass größere Betriebe häufig einen höheren Qualifizierungsbedarf haben und über mehr finanzielle Mittel verfügen. Auch die Betriebsräte haben dort oft größere Ressourcen.

Davon unabhängig gibt es weitere entscheidende Faktoren: Wenn im Betrieb klare Regelungen, zum Beispiel in Form von Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen, und unterstützende Strukturen, etwa für Weiterbildung zuständige Abteilungen oder ein Weiterbildungsbudget, existieren, nimmt das Engagement der Betriebsräte deutlich zu. „Insbesondere in einem konfliktreichen Handlungsfeld kann eine mit dem Arbeitgeber getroffene Betriebsvereinbarung zu einer effektiven Konfliktregulierung in den Betrieben beitragen und das Engagement der Betriebsräte für dieses Thema maßgeblich fördern“, schreibt Erol.

Auch der Organisationsgrad der Belegschaft spielt laut der Studie eine Rolle. In Betrieben mit einem hohen Anteil an Gewerkschaftsmitgliedern treiben Betriebsräte Weiterbildung aktiver voran. Gleichzeitig verfügen Betriebsräte, die selbst in gewerkschaftliche Netzwerke eingebunden sind, über mehr Ressourcen und Wissen, um Weiterbildung zu fördern und durchzusetzen. Eine starke gewerkschaftliche Präsenz im Betrieb könne entscheidend für betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen sein, so die Forscherin.

Darüber hinaus hängt das Engagement für Weiterbildung eng mit der Konfliktfähigkeit zusammen. Ein Betriebsrat, der Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber nicht scheut und bereit ist, für die Interessen der Belegschaft zu kämpfen, ist deutlich aktiver bei der Einführung und Ausgestaltung von Weiterbildungsmaßnahmen. Keinen Einfluss hat dagegen die Eigentümerstruktur der Unternehmen. 

Auch zwischen dem Qualifikationsniveau der Beschäftigten und dem Einsatz der Interessenvertretung lässt sich kein Zusammenhang erkennen – Betriebsräte engagieren sich gleichermaßen für niedriger wie für hoch qualifizierte Beschäftigte. Das gleiche gilt für Faktoren wie Teilzeitbeschäftigung und Befristungen. Das deutet darauf hin, dass Betriebsräte bei ihrem Engagement tendenziell nicht bestimmte Gruppen, sondern die gesamte Belegschaft im Blick haben. Dabei gibt es eine Ausnahme: Für Beschäftigte mit Migrationshintergrund ist das Engagement erkennbar größer als für andere Beschäftigtengruppen. Offenbar setzen sich Betriebsräte gezielt für den Abbau bestehender Ungleichheiten ein, indem sie die Weiterbildungschancen von Migrantinnen und Migranten fördern.

Die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens hat einen großen Einfluss darauf, ob es in die Weiterbildung seiner Belegschaft investiert oder nicht. Unternehmen, denen es gut geht, tun das deutlich häufiger als diejenigen in schwieriger Lage. Dabei sind Qualifizierungsmaßnahmen gerade in Krisen besonders nötig, um die Beschäftigten für neue Aufgaben fit zu machen. Dies scheint auch für Betriebsräte ein wichtiges Motiv zu sein, denn sie engagieren sich bei Umstrukturierungen stärker für Weiterbildung.

Um eine aktive Rolle der Betriebsräte in der Weiterbildung zu fördern, sind laut Erol mehrere Schritte notwendig: Erstens sollten Unternehmen weiterbildungsfreundliche Strukturen und Betriebsvereinbarungen zur Weiterbildung etablieren. Zweitens sollten Betriebsräte ermutigt und geschult werden, Konflikte nicht zu scheuen, sondern konstruktiv mit dem Management auszutragen. Drittens sollten Gewerkschaften die Betriebsräte bei der Förderung der Weiterbildung gezielt unterstützen. Schließlich kann der Staat die Rahmenbedingungen verbessern. Mit dem Arbeit-für-Morgen-Gesetz und dem Qualifizierungschancengesetz sind bereits gute Ansätze vorhanden. Darüber hinaus sollten die Rechte der Betriebsräte erweitert werden: Die bisherigen Vorschlagsrechte zur Beschäftigungssicherung können zu einem Mitbestimmungsrecht ausgebaut werden.

Serife Erol: Wie Betriebsräte die betriebliche Weiterbildung fördern, Handlungsoptionen und ihre Determinanten, WSI-Mitteilungen 6/2024

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