Investitionen: Was eine Reform der Schuldenbremse bringt
Die Schuldenbremse bremst öffentliche Investitionen – und schadet damit der Zukunft des Landes. Eine kleine, aber wesentliche Anpassung könnte die Probleme entschärfen.
Deutschland hat lange viel zu wenig in die Zukunft des Landes investiert. Es fehlt an allen Ecken und Enden, etwa in den Bereichen Bildung, Digitalisierung, Wohnen, Verkehr oder Verteidigung. Hinzu kommt die Mammutaufgabe der sozial-ökologischen Transformation, also des Umbaus der Wirtschaft hin zu Klimaneutralität, sozialer Gerechtigkeit und Wohlstandssicherung. Diese Ziele können nur durch massive öffentliche Investitionen erreicht werden. Um die dafür notwendigen Kredite aufnehmen zu können, muss die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse reformiert werden. Und das wäre mit einer minimalen Anpassung möglich: Die bestehende Schuldenregel müsste um eine Investitionsregel – die sogenannte Goldene Regel – ergänzt werden. Diese würde öffentliche Investitionen, wie sie in der Finanzstatistik definiert sind, von der geltenden Neuverschuldungsbegrenzung ausnehmen. Die Spielräume, die sich dadurch ergeben, wären erheblich, wie Berechnungen von Tom Krebs von der Universität Mannheim in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie zeigen.
Eine solche Investitionsregel für den Bund im Jahr 2023 hätte eine strukturelle Nettokreditaufnahme von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erlaubt – eine Erhöhung um 1,15 Prozentpunkte gegenüber der derzeit zulässigen strukturellen Nettokreditaufnahme von 0,35 Prozent. Der Wert entspricht den Vorgaben der geltenden EU-Fiskalregeln.
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Der Investitionsbedarf wird in aktuellen Analysen übereinstimmend als sehr hoch eingeschätzt. So haben das IMK und das Institut der Deutschen Wirtschaft in einer gemeinsamen Studie errechnet, dass in den nächsten zehn Jahren insgesamt 600 Milliarden Euro zusätzlich investiert werden müssen – davon 200 Milliarden Euro für die kommunale Infrastruktur, 100 Milliarden Euro für die überregionale Infrastruktur, 200 Milliarden Euro für den Klimaschutz, 40 Milliarden Euro für den Wohnungsbau und 40 Milliarden Euro für die Bildung. Dies entspräche einer Steigerung der öffentlichen Investitionsausgaben um 60 Milliarden Euro pro Jahr.
„Ein großer Teil der zusätzlichen Investitionen muss kreditfinanziert werden“, erklärt Krebs. Die positiven Effekte würden dabei die möglichen negativen bei weitem überwiegen, da von den zusätzlichen Investitionen starke Wachstumsimpulse ausgingen. Eine aktuelle Studie des IMK liefert dazu detaillierte Berechnungen. Die Ausgaben würden sich über höheres Wachstum, mehr Beschäftigung und erhöhte Staatseinnahmen mittel- bis langfristig sogar selbst finanzieren. „Es ist nicht wahr, dass kreditfinanzierte öffentliche Investitionen künftige Generationen belasten. Das Gegenteil ist der Fall“, sagt Christina Schildmann, Leiterin der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung. „Das Investitionsprogramm würde letztlich das Bruttoinlandsprodukt erhöhen und die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen stärken.“
Die Finanzierung könne am besten sichergestellt werden, wenn die Schuldenbremse um eine Investitionsregel ergänzt wird. Wichtig sei dabei, erklärt Krebs, dass die Investitionsausgaben so definiert werden, wie sie in der Finanzstatistik und nicht wie sie in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) ausgewiesen werden. In der Finanzstatistik, die auch maßgeblich für den Entwurf des Bundeshaushalts ist, werden zum Beispiel Zuschüsse des Bundes für private Investitionen den öffentlichen Investitionsausgaben zugeordnet, in der VGR ist dies nicht der Fall. Im Haushaltsjahr 2023 floss rund die Hälfte aller Investitionsausgaben des Bundes – insgesamt 35 Milliarden Euro – in Zuschüsse oder Darlehen zur Förderung von Investitionen zum Ausbau des Schienenverkehrs und der klimaneutralen Transformation von Industrie, Energiewirtschaft und Gebäudesektor. Fast alle Ausgaben des Klima- und Transformationsfonds fallen in diese Kategorie. Anders als in der Finanzstatistik zählen diese Ausgaben in der VGR nicht zu den öffentlichen Investitionen, da die geförderten Unternehmen dort als privatwirtschaftlich gelten. Dies bedeutet, dass eine Investitionsregel auf Basis der VGR, wie sie teilweise diskutiert wird, einen erheblichen Teil des Investitionsbedarfs nicht erfassen würde.
„Ein öffentliches Investitionspaket ist nicht nur notwendig zur Bewältigung der Transformationsaufgabe, sondern ist auch ein Konjunkturpaket, das der deutschen Wirtschaft den notwendigen Anschub geben könnte, um den Weg aus der Dauerkrise zu finden“, schreibt der Wissenschaftler. Allerdings sei eine Reform der Schuldenbremse nur durch eine Grundgesetzänderung möglich, für die eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich ist. Diese sei nur erreichbar, wenn die demokratischen Parteien eine gemeinsame Vision einer zukunftsfähigen Finanzpolitik teilen und sich auf deren Umsetzung einigen können.
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Wie viele Milliarden Deutschland zusätzlich investieren muss und wie künftige Generationen davon profitieren - mehr dazu in der neuen Folge des Podcasts Systemrelevant.
Tom Krebs: Eine Investitionsregel zur Reform der Schuldenbremse, Working Paper der HBS-Forschungsförderung Nr. 363, Februar 2025