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Überwiegend Zustimmung, aber auch Sorgen Böckler Impuls

Energiewende: Überwiegend Zustimmung, aber auch Sorgen

Ausgabe 17/2024

Die meisten Beschäftigten sind davon überzeugt, dass Deutschland stärker auf erneuerbare Energien setzen muss. Einige befürchten jedoch Preissteigerungen und Arbeitsplatzverluste. Am größten ist die Skepsis bei der AfD-Wählerschaft.

Eine Mehrheit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Deutschland unterstützt die Energiewende, also den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Kohleausstieg. Sorgen bereiten die möglichen wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Folgen, zudem hält nur rund ein Drittel der Beschäftigten die aktuellen Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren für realistisch, ein Drittel ist unentschieden, ein Drittel findet sie unrealistisch. Es gibt deutliche Unterschiede entlang der parteipolitischen Präferenzen: Die Anhängerschaft der AfD hat grundlegend andere Ansichten als die Wählerinnen und Wähler der demokratischen Parteien. Auch die BSW-Wählerschaft hat teils eigene Auffassungen, wenn auch nicht so stark abweichend. Unabhängig von der politischen Präferenz ist eine deutliche Mehrheit dafür, die staatliche Förderung und Gestaltung der Energiewende an klare soziale Kriterien und gute Arbeitsbedingungen zu binden. Das zeigt eine Studie von Vera Trappmann und Felix Schulz von der Universität im britischen Leeds. Die von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Untersuchung basiert auf Daten einer repräsentativen Befragung von rund 2000 abhängig Beschäftigten in Deutschland im April und Mai 2024.

Eine Mehrheit der Befragten, nämlich 59 Prozent, stimmt zu, dass die Energiewende unabdingbar ist, um die Klimaziele zu erreichen. 25 Prozent sind unentschieden. Und 16 Prozent der Befragten halten sie nicht für zwingend notwendig.

Die größte Zustimmung findet eindeutig die Solarenergie: 61 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Deutschland einen großen oder sehr großen Anteil seiner Energie aus der Sonne beziehen sollte. Bei Windkraft sagen das 52 Prozent und bei Biomasse 34 Prozent. 23 Prozent der Befragten sprechen sich für einen hohen bis sehr hohen Anteil von Erdgas aus. Knappe Mehrheiten stehen hinter dem Ziel, zwei Prozent der Fläche Deutschlands für Windenergie auszuweisen. Gleiches gilt für einen weitgehenden Kohleausstieg. 

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Gleichzeitig ist jeweils eine knappe Mehrheit der Meinung, dass die Kernenergie und einige Kohlekraftwerke auch in Zukunft als Übergangsenergiequellen für die Indus­trie benötigt werden. Ein immer wieder genannter Grund dafür ist die Angst vor Versorgungsengpässen und Preissteigerungen: 37 Prozent aller Befragten befürchten eine Verschlechterung der Versorgungssicherheit, 42 Prozent rechnen nicht mit sinkenden Preisen durch die Energiewende. Bei beiden Aussagen zeigen sich zudem rund 30 Prozent unentschieden.

„Wir sehen deutlich eine große Unsicherheit mit Blick auf die Folgen der Energiewende auf dem Arbeitsmarkt“, sagt Christina Schildmann, Leiterin der Abteilung Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung. „Bestes Beispiel: Bei der Aussage ‚Die Jobs in den Branchen der erneuerbaren Energien werden gut bezahlt sein‘ antworten fast 50 Prozent mit ‚Ich stimme weder zu noch lehne ich ab‘. Das zeigt, wie groß die Fragezeichen in den Köpfen der Beschäftigten zu den sozialen und arbeitsmarktpolitischen Folgen der Energiewende sind.“ 

AfD und BSW weichen ab

Generell befürworten die Anhängerinnen und Anhänger der etablierten demokratischen Parteien die Energiewende relativ stark. Aber sie lassen sich noch einmal in zwei Lager einteilen: Die Anhängerschaft der Grünen, der SPD und der Linken unterstützt die Energiewende stärker und konsequenter als die der Union und der FDP. Wenig überraschend stimmen 93 Prozent bei den Grünen der Aussage zu, dass die Energiewende unverzichtbar ist, um die nationalen Klimaziele zu erreichen. Bei der Linken liegt die Zustimmung bei 90 Prozent und bei der SPD bei 83 Prozent. Jeweils 67 Prozent der Beschäftigten, die CDU/CSU oder FDP wählen würden, stimmen der Aussage zu, dass die Energiewende unabdingbar ist.

Die Anhängerschaft der AfD hebt sich mit deutlich geringeren Zustimmungswerten von den anderen ab. Hier halten nur rund 23 Prozent die Energiewende für unverzichtbar. Allerdings, so betonen Trappmann und Schulz, gebe es in dieser Gruppe noch viele Unentschlossene. Nicht eindeu­tig zu verorten sind die Anhängerinnen und Anhänger des BSW, die zu 41 Prozent der Energiewende zustimmen.

Bei den Wählerinnen und Wählern von AfD und BSW ist die Angst vor Preissteigerungen und Arbeitsplatzverlusten überdurchschnittlich ausgeprägt. Stark steigende Preise nach dem Kohleausstieg befürchten beispielsweise 71 Prozent bei der AfD, beim BSW sind es 57 Prozent. Arbeitsplatzverluste erwarten 70 beziehungsweise 63 Prozent. Bei der Wählerschaft der anderen Parteien erwartet nur eine Minderheit, dass die Preise stark steigen werden. Ähnlich ist das Muster bei der Frage nach Jobverlusten durch den Kohleausstieg. 

Auch ideologische Gründe für Ablehnung

Was sind die Gründe für die unterschiedlichen Einstellungen? Man könnte vermuten, dass die Sympathisantinnen und Sympathisanten von AfD und BSW mehr Angst vor Preissteigerungen und Arbeitsplatzverlust haben, weil sie im Durchschnitt über ein geringeres Einkommen und einen niedrigeren Bildungsabschluss verfügen. Die Wissenschaftlerin und der Wissenschaftler können jedoch zeigen, dass die signifikanten Unterschiede auch nach Kontrolle von soziodemografischen Merkmalen wie Einkommen, Bildung und Bundesland bestehen bleiben. Das bedeutet: Die Anhängerschaft der AfD und des BSW hat zwar mehr Angst vor den wirtschaftlichen Folgen der Energiewende. Dies ist aber nicht ausschließlich auf eine schlechtere wirtschaftliche Situation im Vergleich zu den Wählerinnen und Wählern der anderen Parteien zurückzuführen. Neben sozioökonomischen Faktoren spielten offenbar auch ideologische Aspekte eine Rolle, erklären die Forschenden. Sie verweisen auf frühere Studien, nach denen AfD-Wählerinnen und -Wähler generell häufiger Zweifel an der Existenz des menschengemachten Klimawandels haben. Diese Einstellung sei bei vielen bereits vor dem Wechsel ins Lager der AfD vorhanden gewesen.

Mehrheit will Bindung an soziale Kriterien

Es gibt aber auch Mehrheiten über Parteigrenzen hinweg: Die Anhängerschaften aller Parteien, auch die der AfD und des BSW, sprechen sich laut Studie mehrheitlich dafür aus, staatliche Subventionen an soziale Aspekte und gute Arbeitsbedingungen zu knüpfen – eine Idee, für die sich der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften starkgemacht haben. Insgesamt stimmen 68 Prozent dem Vorschlag zu, 26 Prozent sind unentschieden und nur sechs Prozent sind dagegen.

Zudem stimmt eine Mehrheit von insgesamt 57 Prozent zu, dass die Energiewende erfolgreicher wird, wenn Bürgerinnen und Bürger sowie Beschäftigte mitbestimmen können. „Insgesamt legen die Ergebnisse unserer Studie nahe, dass die Forderungen, die ökologische Transformation sozial zu gestalten, nicht nur eine Fußnote in der politischen Diskussion ausmachen können, sondern zentral werden müssen, um den Zuspruch zu demokratischen Parteien der Mitte aufrechtzuerhalten und wieder zu stärken“, schreiben Schulz und Trappmann. Sie leiten daraus vier zentrale Handlungsempfehlungen ab: 

1. Förderung an soziale Bedingungen knüpfen

Staatliche Investitionen sollten an Kriterien guter Arbeit wie Tariflöhne und Betriebsräte geknüpft werden. Vor allem in den neu entstehenden Branchen sollten mehr Tarifverträge abgeschlossen werden. Hier müsse auch die Bundesregierung aktiver werden und mehr Druck auf die Unternehmen ausüben, um die Tarifbindung in der Branche der erneuerbaren Energien zu erhöhen.

2. Energiewende braucht Mitbestimmung

Neben der demokratischen Teilhabe sollten die Bürgerinnen und Bürger auch an den finanziellen Vorteilen der erneuerbaren Energien, zum Beispiel Windparks, beteiligt werden. Dies kann die Akzeptanz von Projekten in der Region erhöhen. Dazu sollte die bereits bestehende politische Unterstützung für „Bürgerwindparks“ und ähnliche Beteiligungskonzepte ausgebaut werden.

3. Haushalte finanziell entlasten

Allein auf marktwirtschaftliche Maßnahmen zu setzen, wird nicht funktionieren. So belasten zum Beispiel marktbasierte CO₂-Preise die unteren und mittleren Einkommensgruppen überproportional. Um einen Ausgleich zu schaffen, könnten zum einen Senkungen der Steuern auf Lebensmittel mit günstiger CO₂-Bilanz und den öffentlichen Verkehr das allgemeine Preisniveau senken und so die Haushalte entlasten. Zum anderen müssen durch eine Reform der Schuldenbremse mehr öffentliche Mittel für die Dekarbonisierung der Infrastruktur bereitgestellt werden. Das würde Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, CO₂-Emissionen zu vermeiden und damit Geld zu sparen, etwa durch leistungsfähigen und günstigen öffentlichen Nahverkehr. Ebenso muss die Bundesregierung ihr Versprechen für mehr bezahlbaren, energieeffizienten und emissionsarmen sozialen Wohnungsbau einlösen.

4. Vertrauen in Energiesicherheit schaffen

Die Bundesnetzagentur hat versichert, dass die Energieversorgung auch nach dem Kohle- und Atomausstieg gesichert ist. In der Bevölkerung ist dies jedoch noch nicht angekommen – es herrscht große Verunsicherung, die den Rückhalt für die Energiewende schmälert. Die Forschenden empfehlen daher Informationskampagnen.

Felix Schulz, Vera Trappmann: Wie blicken Arbeitnehmer:innen auf die Energiewende? Eine Analyse entlang politischer Parteipräferenzen, Working Paper der HBS-Forschungsförderung Nr. 354, Oktober 2024

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