Quelle: HBS
Böckler ImpulsGender: Teilzeit rächt sich im Rentenalter
Bei den Rentenansprüchen gibt es enorme Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Der Hauptgrund: Frauen sind wesentlich häufiger atypisch beschäftigt.
Die traditionelle Ehe verliert an Bedeutung: Die Zahl der Scheidungen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften wächst. Daher werde eine eigenständige Alterssicherung für Frauen immer wichtiger, schreiben Dina Frommert und Susanne Strauß. Die Soziologinnen von der Universität Tübingen und der Deutschen Rentenversicherung Bund haben untersucht, wie sich die Rentenansprüche von Frauen und Männern unterscheiden. Dafür haben sie Befragungsdaten von Personen ausgewertet, die heute zwischen 52 und 71 Jahren alt sind. Ihren Berechnungen zufolge werden die Frauen weniger als halb so viel Alterseinkommen zur Verfügung haben wie die Männer.
Dass es überhaupt systematische Unterschiede zwischen den Einkünften von Rentnerinnen und Rentnern gibt, hängt mit geschlechtsspezifischen Erwerbsmustern zusammen: Zwar habe die Erwerbsquote von Frauen zugenommen. Doch viele Arbeitnehmerinnen weisen „keine dem Leitbild der deutschen Sozialversicherung entsprechende kontinuierliche Vollzeiterwerbsbiografie mit zumindest durchschnittlichem Einkommen“ auf, konstatieren Frommert und Strauß. So sei bekannt, dass Frauen häufiger als Männer Minijobs oder Teilzeitstellen haben. Hinzu komme, dass sie auch in vergleichbaren Positionen im Schnitt weniger Geld verdienen. Zudem seien Erwerbsunterbrechungen wegen Kindererziehung oder Pflege weit verbreitet. Da nicht nur die gesetzliche Rente, sondern auch die betriebliche Altersversorgung und die private Vorsorge eng an die Erwerbstätigkeit gebunden seien, folge daraus, dass Frauen im Alter mit deutlich geringeren Einkommen rechnen müssen als Männer.
Wie groß die Unterschiede tatsächlich sind, haben die Sozialwissenschaftlerinnen anhand von Befragungsdaten aus dem Jahr 2005 untersucht. Im Rahmen der Studie „Altersvorsorge in Deutschland“ hatten die Deutsche Rentenversicherung Bund und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales über 12.000 Personen der Geburtsjahre 1942 bis 1961 zu ihren Erwerbsverläufen und zur Vorsorge in den verschiedenen Alterssicherungssystemen befragen lassen. Diese Befragungsdaten haben die Forscherinnen mit amtlichen Daten der deutschen Rentenversicherung verknüpft. Mit Hilfe eines Mikrosimulationsmodells wurden die Erwerbsverläufe der Befragten bis zum Rentenalter fortgeschrieben und die Alterseinkommen berechnet, die sich aus dieser Projektion ergeben. Um die Entwicklung beim „Gender Pension Gap“ nachzuvollziehen, haben sich Frommert und Strauß bei ihrer Analyse auf zwei Kohorten konzentriert: die Geburtsjahrgänge von 1942 bis 1946 sowie von 1957 bis 1961. Wegen geringer Fallzahlen für Ostdeutschland wurden nur Daten von Westdeutschen in die Berechnungen einbezogen.
Betrachtet man die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund eigener Beschäftigung, ergibt sich eine Lücke von 61 Prozent für die älteren und 59 Prozent für die jüngeren Jahrgänge. Die Rentendifferenz zwischen Männern und Frauen verringert sich um 8 beziehungsweise 10 Prozentpunkte, wenn Maßnahmen des sozialen Ausgleichs berücksichtigt werden – also beispielsweise die Anerkennung von Erziehungszeiten. Bei den Alterseinkommen insgesamt, die zusätzlich Einkünfte aus der betrieblichen Altersversorgung und der privaten Vorsorge umfassen, beträgt der Abstand 58 Prozent für die Jahrgänge 1942 bis 1946 und 51 Prozent für zwischen1957 und 1961 Geborene. Offenbar hätten „bislang weder die gestiegene Bildungsbeteiligung von Frauen noch ihre zunehmende Erwerbsbeteiligung zu einer deutlichen Verringerung des Gender Pension Gaps geführt“, so Frommert und Strauß.
Auch die Ursachen für ihren Befund haben die Soziologinnen statistisch analysiert. Den größten Erklärungsanteil liefern demnach die Unterschiede bei der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung in der Privatwirtschaft. Wenn Frauen genauso lange Vollzeit gearbeitet hätten wie Männer, wäre die Lücke bei den gesamten Alterseinkommen in beiden Kohorten weniger als halb so groß. Als politische Schlussfolgerung halten die Autorinnen daher fest, „dass eine Verringerung des Gender Pension Gaps unter den Rahmenbedingungen des deutschen Alterssicherungssystems nur durch eine stärkere Beteiligung von Frauen an Vollzeiterwerbstätigkeit möglich ist“. Um entsprechende Anreize zu schaffen, empfehlen sie Schritte hin zu einer individuellen Besteuerung, etwa durch die Abschaffung des Ehegattensplittings.
Dina Frommert, Susanne Strauß: Biografische Einflussfaktoren auf den Gender Pension Gap – Ein Kohortenvergleich für Westdeutschland, in: Journal of Labour Market Research, Dezember 2012
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