Quelle: HBS
Böckler ImpulsBerufswahl: Technikberufe: Mädchen bleiben draußen
Zum Girls' Day am 26. April sind Schülerinnen wieder eingeladen, technische Berufe für sich zu entdecken. Die meisten Mädchen erlernen weiterhin vergleichsweise schlecht bezahlte Berufe im Büro oder im Einzelhandel.
Mehr als die Hälfte aller jungen Frauen hat 2006 eine Ausbildung in nur 10 von insgesamt 346 anerkannten Ausbildungsberufen begonnen: als Kauffrau im Einzelhandel oder für Bürokommunikation, Büro-, Industrie- oder Hotelkauffrau, Medizinische oder Zahnmedizinische Fachangestellte (die ehemalige Arzt- oder Zahnarzthelferin), Verkäuferin, Friseurin oder Verkäuferin im Lebensmittelhandwerk. Keiner ist technisch. Auch junge Männer scheinen sich immer noch eher für die so genannten Männerberufe wie Industriemechaniker, Elektroniker oder Koch zu interessieren. Allerdings sind sie in ihrer Wahl weniger eingeschränkt: In den Top-Ten-Berufen zwischen Kraftfahrzeugmechatroniker und Metallbauer startete im vergangenen Jahr gut ein Drittel ins Berufsleben.
Die Crux: In den von Jungen bevorzugten Branchen wird weiterhin weitaus besser bezahlt. Eine Einzelhandelskauffrau steigt in Nordrhein-Westfalen nach drei Jahren Ausbildung mit 1.575 Euro Bruttogrundvergütung ein. Dagegen beginnt ein Industriemechaniker in der Kautschukindustrie in Hessen, Rheinland-Pfalz oder dem Saarland bei mindestens 2.023 Euro. Im frischen EU-Gleichstellungsbericht schneidet kein westeuropäisches Land so schlecht ab wie Deutschland: 2005 verdienten hierzulande Frauen in der Stunde 22 Prozent weniger als Männer. Der Durchschnitt der damals 25 EU-Staaten liegt bei 15 Prozent.
Ein Grund unter vielen: die versteckte Diskriminierung bei der Bewertung frauentypischer Tätigkeiten. Bereits 2002 schrieb die Bundesregierung, dass "bei der Arbeitsbewertung oftmals Anforderungen fehlen, die für frauendominierte Tätigkeiten typisch sind". Bei Bürotätigkeiten würden in der Regel organisatorische Fähigkeiten, Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit nicht bewertet und nicht entlohnt. In der Pflege fehlten Anforderungen an Einfühlungsvermögen und Muskelkraft. "Alle Tarifverträge müssen daraufhin durchforstet werden, wo die Arbeitsbewertung potenziell Frauen diskriminierend ist. Das ist wichtig, um das Prinzip, gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit endlich umzusetzen", so Christina Klenner, Referentin für Frauen- und Geschlechterforschung im WSI.
Joachim Gerd Ulrich, Simone Flemming, Ralf-Olaf Granath, Elisabeth M. Krekel: Stärkster Zuwachs bei den neuen Ausbildungsverträgen seit der Wiedervereinigung, BIBB-Erhebung 2006 über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge, Bundesinstitut für Berufsbildung 2007.
aktuelle Tarifvergütungen laut WSI-Tarifarchiv
Bericht der EU-Kommission zur Gleichstellung von Frauen und Männern, 2007
Bericht der Bundesregierung zur Berufs- und Einkommenssituation von Frauen und Männern, 2002