Quelle: HBS
Böckler ImpulsArbeitswelt: Starthilfe für neue Pflegekräfte
Die Zahl angeworbener oder umgeschulter Pflegekräfte steigt. Um sie in den Beruf zu integrieren, müssen Arbeitgeber und Gesetzgeber für mehr Ressourcen sorgen.
Fachkräfte aus dem Ausland und Quereinsteiger aus anderen Berufen sollen den Pflegenotstand in Deutschland mildern. In den vergangenen Jahren sind auf diesen Wegen mehr als 60000 Personen neu in Pflegeberufe gekommen. Vielen von ihnen fällt der Einstieg schwer. Häufig kommt es im Arbeitsalltag zu Konflikten und Missverständnissen. Was es braucht, um die Neuzugänge besser zu integrieren und dauerhaft zu halten, zeigt eine Analyse von Forscherinnen der Universität Frankfurt, dem Deutschen Jugendinstitut München und der Hans-Böckler-Stiftung.
Klar ist: Der Personalmangel in der Pflege ist so groß, dass er sich allein mit Pflegekräften aus dem Ausland sowie Quereinsteigern, die aus anderen Berufen oder der Arbeitslosigkeit kommen, nicht lösen lassen wird. Aber immerhin sieht es so aus, als sei spürbare Entlastung unterwegs: Insgesamt haben zwischen 2012 und 2017 gut 30000 umgeschulte Fachkräfte ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, meist in der Altenpflege. Im gleichen Zeitraum haben rund 32000 Pflegekräfte aus dem Ausland die Anerkennung ihres Berufsabschlusses beantragt, davon allein 9000 im Jahr 2017. Bosnien-Herzegowina, Serbien und die Philippinen zählen zu den wichtigsten Herkunftsländern.
Doch Umschulung oder Anwerbung sind nur der erste Schritt. Der zweite – die Einbindung ins neue Arbeitsfeld –, ist nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen ebenso wichtig und anspruchsvoll. Misslingt er, könnten sich die ermutigenden Zahlen schnell als Makulatur erweisen. Der Studie zufolge berichten insbesondere Quereinsteiger von Überforderung beim Einstieg. Als „gestandene“, oft etwas ältere Erwachsene werden sie häufig nicht als Anfänger angesehen, sondern in den täglichen Abläufen allzu schnell als vollwertige Fachkräfte eingesetzt. Kollegen und Vorgesetzte schreiben ihnen oft mehr Kompetenzen zu, als es ihrem Ausbildungsstand entspricht.
Im Gegensatz dazu erleben vor allem zugewanderte Fachkräfte in der Krankenpflege, dass sie trotz vorhandener Berufsabschlüsse zunächst als Helferinnen beschäftigt werden. Die Fachkräfte aus dem Ausland fühlen sich oft „unter Wert“ beschäftigt. Das kann sich über einen längeren Zeitraum hinziehen, zumal das behördliche Anerkennungsverfahren der ausländischen Abschlüsse bis zu anderthalb Jahre dauern kann. Hinzu kommt, dass Vorgesetzte und etablierte Beschäftigte die meist akademische Ausbildung der Zugewanderten oft als „praxisfern“ bewerten und mangelnde Erfahrung in der „Grundpflege“ konstatieren. Auf beiden Seiten – unter den Newcomern wie auch den etablierten Kolleginnen – drohten dadurch Enttäuschungen, warnen die Forscherinnen. Um die Rahmenbedingungen zu verbessern, nennen sie als wichtigste Ansätze:
Mehr Zeit und Ressourcen für die Integration: Dazu müssten sich viele Arbeitgeber stärker engagieren als bisher, betonen die Pflege-Expertinnen. Aber auch der Gesetzgeber sei gefordert. Integration funktioniere nur, wenn die dafür nötigen Aufwendungen auch bei der Finanzierung von Pflege-Einrichtungen ausreichend berücksichtigt werden.
Schnelle Anerkennung ausländischer Abschlüsse: Dies steigert die Bereitschaft, die Zugewanderten von Beginn an gemäß ihrer Qualifikation zu beschäftigen.
Frühzeitige Aufklärung: In der deutschen Pflegeausbildung sollte darüber informiert werden, wie im Ausland ausgebildet wird und wie die Arbeitsteilung dort aussieht. Das schafft Verständnis für die andere Seite.
Betriebliche Mitbestimmung: Betriebsräte können verlässliche Standards und Rechte zum Beispiel durch Betriebsvereinbarungen festschreiben.
Umschulungen besser vorbereiten: Die Bundesagentur für Arbeit und die Pflegeträger müssten sich enger darüber abstimmen, welche Anforderungen an Bewerberinnen und Bewerber gestellt werden und welche Arbeitsbedingungen sie erwarten.
Mariana Grgic u. a.: Vertane Chance der Fachkräftebindung in der Pflege (pdf), HBS-Forschungsförderung, Policy Brief Nr. 5, November 2019