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„Starke Bekenntnisse zur Mitbestimmung“ Böckler Impuls

Koalitionsvertrag: "Starke Bekenntnisse zur Mitbestimmung"

Ausgabe 20/2021

Die neue Bundesregierung hat das Problem der Mitbestimmungsvermeidung erkannt. Es darf aber nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben.

In ihrem Koalitionsvertrag betonen SPD, Grüne und FDP die „weltweit bedeutende Stellung“ Deutschlands bei der Unternehmensmitbestimmung. Die Umgehung von Mitbestimmung will die Ampelkoalition verhindern. Künftig soll es nicht mehr möglich sein, Mitbestimmung durch Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE) auszuhebeln. Auch die sogenannte Drittelbeteiligungslücke im Konzernrecht soll geschlossen werden. „Dass die neue Regierung die Unternehmensmitbestimmung als wichtigen Faktor für eine erfolgreiche Wirtschaft anerkennt, ist ein großer Fortschritt“, sagt Daniel Hay, wissenschaftlicher Direktor des I.M.U. Insbesondere die sozial-ökologische Transformation Deutschlands könne nur durch stärkere Beteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf allen Ebenen gelingen.

Nach einer Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung wird über zwei Millionen Beschäftigten in großen Unternehmen, deren Aufsichtsräte eigentlich paritätisch besetzt sein müssten, die Unternehmensmitbestimmung vorenthalten. Dazu nutzen Arbeitgeber rechtliche Lücken, einige ignorieren sogar geltendes Recht. 

Ein häufig angewandter Trick ist die Gründung einer SE, solange das Unternehmen klein ist und die Mitbestimmungsgesetze noch gar nicht oder nicht voll greifen. Der zum Zeitpunkt der SE-Gründung bestehende Mitbestimmungsstatus bleibt für immer, ganz egal, wie groß das Unternehmen später wird – anders als etwa bei einer deutschen AG. Dieses „Einfrieren“ des Mitbestimmungsstatus sollte künftig nicht mehr möglich sein. Bei einer SE, die die einschlägigen gesetzlichen Schwellenwerte der Beschäftigtenzahl überschreitet, sollten Nachverhandlungen zur Unternehmensmitbestimmung verpflichtend sein. 

Darüber hinaus gibt es weitere Lücken in den Gesetzen. Beispielsweise ist es für Unternehmen mit Sitz in Deutschland möglich, Mitbestimmung durch Nutzung einer ausländischen Unternehmensrechtsform zu vermeiden. „Hier muss die Bundesregierung ebenfalls aktiv werden. Ein Mitbestimmungserstreckungsgesetz würde klarstellen, dass die Mitbestimmungsgesetze für alle kapitalistisch strukturierten Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten in Deutschland gelten“, erklärt Hay. Zudem müsse sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für Mindeststandards der Unternehmensmitbestimmung einsetzen. 

Das Fazit des I.M.U.-Direktors: „Die starken Bekenntnisse zur Mitbestimmung im Koalitionsvertrag, aber auch die Diskussionen vor der Bundestagswahl machen mich optimistisch. Es darf aber nicht nur kosmetische Veränderungen geben. Darauf werden wir bei den konkreten Initiativen achten.“

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