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Staat und Sozialpartner müssen kooperieren Böckler Impuls

Transformation: Staat und Sozialpartner müssen kooperieren

Ausgabe 15/2024

Regionale Bündnisse zu Transformationsfragen sind weit verbreitet. Am besten funktionieren sie, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen.

Das Klima heizt sich auf, die Bevölkerung altert, digitale Technik ist auf dem Vormarsch. Das setzt Wirtschaft, Staat und Gesellschaft unter Zugzwang: Sie müssen sich in vielerlei Hinsicht neu aufstellen und vor allem massiv investieren, um den Wandel der Arbeitswelt zu gestalten. Damit das gelingt, sind Unternehmen, Politik, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände auf allen Ebenen gefragt: europäisch, auf Ebene von Bund und Ländern, insbesondere aber auch in den Regionen. Denn dort werden die konkreten Zukunftsprojekte umgesetzt, und das funktioniert am besten, wenn die Kompetenzen vor Ort einbezogen werden. Wie es konkret um Mitwirkung und Zusammenarbeit beim Thema Transformation auf regionaler Ebene steht, analysieren Christian Hoßbach, Leiter der Stabsstelle „Hub: Transformation gestalten“ in der Hans-Böckler-Stiftung und der Sozialwissenschaftler Thomas Bollwein in einer neuen Studie. Dafür haben sie die bundesweit 59 Regionalgeschäftsführungen des DGB online befragt und im Anschluss vertiefende Kleingruppeninterviews geführt. Das Ergebnis: In 85 Prozent der DGB-Regionen gibt es entsprechende Strukturen – deren Bedeutung allerdings stark variiert. Tripartistische Bündnisse, in denen Politik und Sozialpartner dauerhaft und umfassend auf Augenhöhe zusammenarbeiten, seien „seltener, als es angesichts der Transformation angemessen wäre“. Die vorhandenen Ansätze auszubauen, könnte dazu beitragen, Änderungsprozesse demokratisch zu legitimieren und alle Ressourcen für bestmögliche nachhaltige Lösungen zu mobilisieren.

„Aus dem inhaltlichen Ergebnis der Interviews spricht zusammengefasste Praxiskompetenz:  Die insgesamt 40 ‚Feststellungen‘ der Befragten unterstreichen, wie bedeutsam die regionale Vernetzung und insbesondere die strategische Begleitung der Transformation vor Ort ist“, sagt Claudia Bogedan, die Geschäftsführerin der Hans-Böckler-Stiftung. „Sie geben Praxiserfahrungen wieder und liefern Hinweise auf sinnvolle Strukturen, Verbesserungsbedarfe, aber auch auf Hemmnisse.“

Die Transformation stellt laut der Befragung eine allgegenwärtige Herausforderung dar: Zwei Drittel der rund 400 Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland sind nach Einschätzung der Expertinnen und Experten stark oder sehr stark von ihr betroffen. Die politische Bearbeitung dieses Themas vor Ort wird eher kritisch gesehen: Für 26 Prozent der Landkreise und Städte wird sie als schlecht oder sehr schlecht bewertet.

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Gute Zusammenarbeit der verschiedenen Akteurinnen und Akteure und insbesondere der beiden Sozialpartner betrachten Hoßbach und Bollwein als „Gradmesser für die Erfolgschancen regionaler Initiativen“. Der empirische Befund fällt in dieser Hinsicht durchwachsen aus: Die Kooperation mit kommunalen Verantwortlichen wie Bürgermeisterinnen oder Landräten in Transformationsfragen bezeichnen die befragten DGB-Regionalgeschäftsführungen zu fast 60 Prozent als mindestens gut, ähnlich sieht es bei den Handels- und Handwerkskammern aus. Etwas weniger gut klappt es mit Wirtschaftsförderung und Hochschulen. Mit dem Sozialpartner – also den Unternehmensverbänden – ist die Zusammenarbeit „insgesamt nicht besser als neutral“ zu bezeichnen: 35 Prozent beschreiben sie als gut, 37 Prozent als schlecht. Am besten ist das Verhältnis zu den Agenturen für Arbeit, das 95 Prozent der Befragten als gut oder sehr gut empfinden – was auch mit der Einbindung der Gewerkschaften in die Selbstverwaltung zusammenhängen dürfte.

Feste Strukturen für die Zusammenarbeit sind im größten Teil der Regionen etabliert, allerdings variieren Zuschnitt, Zusammensetzung und Kompetenzen erheblich: Transformationsräte existieren in 37 Prozent der DGB-Regionen, in weiteren 47 Prozent andere Formen von Bündnissen. Nur 15 Prozent der Befragten geben an, dass solche Strukturen komplett fehlen. In 24 der insgesamt 28 Transformationsräte ist der DGB vertreten, die IG Metall in 20, die IGBCE in acht, Verdi in sechs. Regionale Gliederungen der Arbeitgeberverbände reden in 24 Transformationsräten mit, die Agenturen für Arbeit in 23, der jeweilige Landkreis in 20 und die regionale Wirtschaftsförderung in 19. Die Räte befassen sich zu 89 Prozent mit dem Thema Fachkräfte, zu 86 Prozent mit Branchenthemen, zu 82 Prozent mit regionaler Wirtschaftspolitik.

Bei ihrer Entstehung konnten viele Transformationsräte auf bestehende Strukturen aufbauen, heißt es in der Studie. Gemeinsame Anstöße von Wirtschafts- und Sozialpartnern oder durch Gewerkschaften und Betriebsräte hätten oft eine wichtige Rolle gespielt. Die Autoren unterscheiden drei Typen von Transformationsräten: Es gebe 13 „tripartistische“, die unbefristet eine breite Themenpalette bearbeiten, zehn „projektspezifische“, die sich in einem begrenzten Zeitrahmen mit einem bestimmten Thema befassen, und fünf „fachspezifische“, die sich ohne Befristung auf ein Thema konzentrieren. Bei der Verbreitung erkennen Hoßbach und Bollwein ein „klares West-Ost-Gefälle“. Tendenziell seien Transformationsräte eher in Regionen mit einem hohen Anteil von Industriebeschäftigung zu finden. Das dürfte damit zusammenhängen, dass es in diesen Regionen häufig langjährige Erfahrungen mit Strukturbrüchen gibt und dass die Sozialpartner in höherem Maße organisiert sind.

Die Ergebnisse der Befragung deuten darauf hin, dass regionale Bündnisse eine wichtige Rolle bei der Bewältigung des Wandels spielen können: 85 Prozent der Befragten bewerten Transformationsräte als relevant oder sehr relevant, die Gremien der Agentur für Arbeit immerhin zwei Drittel, andere Bündnisse 62 Prozent. Damit dieses Potenzial tatsächlich ausgeschöpft wird, bedürfe es langfristiger Orientierung und partnerschaftlicher Zusammenarbeit auf Augenhöhe, so Hoßbach und Bollwein. „Wirksamer Tripartismus kann nur mit aktiver Beteiligung aller drei Seiten funktionieren.“ Umso problematischer sei es, dass die Arbeitgeber in vielen Regionen der verbindlichen Zusammenarbeit in Transformationsfragen eher reserviert gegenüberstehen. „Dies muss sich ändern, wenn die wichtige demokratische Ressource gemeinsamer Gestaltung wirksam werden soll.“

Christian Hoßbach, Thomas Bollwein: Regionale Gestaltung der Transformation, Working Paper der HBS-Forschungsförderung Nr. 352, September 2024

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