Chinesische Investoren: Sozialpartnerschaft ohne Partner
Der Einstieg chinesischer Investoren und vor allem die Übernahme des Managements können sich auf die Unternehmenskultur auswirken – und die Mitbestimmung erschweren.
Betriebsräte berichten von Problemen in der Zusammenarbeit mit chinesischen Investoren. Sie beklagen mangelnden Zugang zu Informationen, Sprachbarrieren, paternalistisches Management und starre Vorgaben. Das ergibt eine Studie von Shuwen Bian im Auftrag des I.M.U. Es gebe zwar keine Versuche, die Arbeit von Betriebsräten aktiv zu behindern. Allerdings seien die neuen Partnerinnen und Partner oft gar nicht ansprechbar. „Diese Abwesenheit in der Sozialpartnerschaft wird besonders problematisch, wenn eine gemeinsame Lösungsfindung zur Bewältigung einer Krisensituation unerlässlich ist“, so die Studienautorin. I.M.U.-Direktor Daniel Hay sagt: „Die erfolgreiche Integration chinesischer Investorinnen und Investoren in deutsche Unternehmen erfordert nicht nur finanzielles Engagement, sondern auch die Bereitschaft, Mitbestimmung und Zusammenarbeit als Fundament für langfristigen Erfolg und harmonische Partnerschaften zu verstehen.“
Bian hat an verschiedenen Beispielfällen untersucht, wie sich die betriebliche Mitbestimmung in Unternehmen entwickelt hat, die zwischen 2001 und 2023 direkt von Käufern aus China – entweder komplett oder mehrheitlich – übernommen wurden. Insgesamt betraf das in diesem Zeitraum 294 Unternehmen. Die Übernahmedynamik war zuletzt deutlich geringer als in den 2010er-Jahren. In den drei Jahren von 2021 bis 2023 zählte die Forscherin nur 17 Übernahmen. Im Jahr 2016, dem aktivsten Jahr, waren es dagegen 48. Als Gründe für den Rückgang nennt die Expertin die schwächere Konjunktur in der Volksrepublik China, die auch zu geringeren Aktivitäten in anderen Ländern geführt habe, die strengere Prüfung von Übernahmen durch die Bundesregierung, vor allem aber eine veränderte Strategie chinesischer Investoren – weg vom Einstieg in bestehende Unternehmen, hin zu Erweiterungsinvestitionen und Neuansiedlungen. Mit 660 sogenannten Greenfield- und Erweiterungsinvestitionen in Deutschland zwischen 2020 und 2023 liegt China nach den USA und der Schweiz an dritter Stelle. Insgesamt ist das Interesse an einem Engagement in Deutschland also weiterhin groß.
Newsletter abonnieren
Alle 14 Tage Böckler Impuls mit Analysen rund um die Themen Arbeit, Wirtschaft und Soziales im Postfach: HIER(Öffnet in einem neuen Fenster) anmelden!
Von den 294 übernommenen Unternehmen wurden zum Auswertungszeitpunkt Anfang 2024 noch 205 von ihren chinesischen Eigentümerinnen und Eigentümern weitergeführt. 39 wurden geschlossen, weitere vier befanden sich in einem Insolvenz- oder Restrukturierungsverfahren. 46 wurden weiterverkauft, wobei die Käufer in den meisten Fällen nicht aus China kamen. In einem knappen Drittel der Fälle war die Übernahme also nicht erfolgreich. Im Fall der weiterverkauften Unternehmen brachte der Wechsel von chinesischen zu nicht-chinesischen Anteilseignern den Unternehmen „häufig eine stabilere Entwicklung“, schreibt die Expertin.
Neue Besitzverhältnisse, neues Management
Mehr als die Hälfte der chinesischen Investorinnen und Investoren hat eigene Landsleute in die Geschäftsführung der deutschen Tochtergesellschaften berufen. „Diese Veränderungen im lokalen Management haben unmittelbare Auswirkungen auf die betrieblichen Abläufe und die betriebliche Mitbestimmung“, schreibt Bian. In die Analyse der konkreten Erfahrungen sind Berichte von Vertreterinnen und Vertretern der Beschäftigten aus 23 Betrieben eingeflossen, die seit mindestens drei Jahren von chinesischen Investoren geführt wurden. Im Durchschnitt befanden sich diese Unternehmen seit neun Jahren in chinesischem Besitz.
Bereits im Vorfeld der Übernahme war es für die betroffenen Betriebsräte schwierig, an Informationen über die Käufer zu gelangen, da diese zum Teil nur in chinesischer Sprache vorlagen oder außerhalb Chinas nicht zugänglich waren, auch wegen der weitgehenden Abschottung des Landes vom Internet. Dadurch war es nicht möglich, die Selbstdarstellung der Investorinnen und Investoren durch eigene Recherchen zu überprüfen, was für eine effektive Interessenvertretung notwendig gewesen wäre. In mehreren Fällen kündigten chinesische Vorstandsvorsitzende verlockende Synergien an, die Erwartungen erwiesen sich jedoch als zu optimistisch. In einem Fall diskutierte der Betriebsrat mit dem chinesischen Geschäftsführer über die Zusage finanzieller Garantien, ohne zu wissen, dass in China eine Fusion im Gange und der Verkauf der deutschen Tochtergesellschaft an ein anderes Unternehmen längst beschlossen war.
Sprachliche Barrieren
Auch nach der Übernahme war die Zusammenarbeit nach Angaben der Betriebsräte von Sprachproblemen geprägt. Nur eine Minderheit der chinesischen Chefs sprach gut genug Deutsch oder Englisch, um mit dem Betriebsrat kommunizieren zu können. Die Verständigung erfolgte dann schriftlich über Übersetzungsprogramme oder mündlich mit Hilfe von Dolmetscherinnen. Eine inhaltlich präzise und originalgetreue Fachübersetzung setzt jedoch Fachkenntnisse über Mitbestimmungsthemen und die deutschen Arbeitsbeziehungen voraus. Diese fehlten den chinesischen Übersetzerinnen und Übersetzern in der Regel. Zudem kam es vor, dass sie im Gespräch mit einer Autoritätsperson, zum Beispiel einem chinesischen Geschäftsführer, die Worte der Betriebsräte nicht eins zu eins übersetzen wollten. Ein Interviewpartner erinnerte sich an einen Vorfall, bei dem eine Dolmetscherin seine Frage nicht übersetzen wollte, weil diese dem Chef nicht gefallen könnte. „Überall dort, wo die Kommunikation zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat nicht mehr fehlerfrei und ohne Filter stattfinden kann, leidet auch die Wirksamkeit der Mitbestimmungsarbeit im Betriebsalltag“, erklärt die Wissenschaftlerin.
Anderes Verständnis von Unternehmensführung
Eine weitere Herausforderung sahen die Betriebsräte darin, dass in China ein stärker hierarchisches und paternalistisches Verständnis von Unternehmensführung vorherrscht als in Europa. Das in Deutschland eingesetzte chinesische Management konnte kaum Entscheidungen ohne Rücksprache mit der Zentrale in China treffen. Gleichzeitig spielten in den chinesischen Staatskonzernen die Vorgaben der Partei eine große Rolle. Insbesondere seit der Einführung neuer Rechenschafts- und Haftungsrichtlinien, die die persönliche Bereicherung von Führungskräften in staatseigenen Unternehmen verhindern sollen, war das Verhalten von äußerster Vorsicht geprägt. Es ging vor allem darum, keine Fehler zu riskieren. Die Minimierung von Risiken schien für das Management staatlicher Unternehmen wichtiger zu sein, als wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen. Bei der Weitergabe von Informationen an die Mitarbeiter herrschte tendenziell große Zurückhaltung.
Nach dem Einstieg chinesischer Investoren „verschlechtern sich die Bedingungen für die betriebliche Mitbestimmung schleichend“, so das Fazit der Studie. Zwar behinderten die neuen Eigentümer die Arbeit der Betriebsräte nicht aktiv, sie beteiligten sich aber auch nicht aktiv an einer Zusammenarbeit, seien eher abwesend als streitfreudig. Von außen betrachtet erscheine das Verhältnis wenig konfliktträchtig, was dazu führen könne, dass der Unterstützungsbedarf dieser Betriebe von Gewerkschaften vor Ort unterschätzt werde. Die Expertin empfiehlt daher überregionale gewerkschaftliche Taskforces.
Shuwen Bian: Der abwesende Partner in der Sozialpartnerschaft.(Öffnet in einem neuen Fenster) Veränderungen der Mitbestimmungspraxis in Betrieben mit chinesischen Investoren. I.M.U.-Mitbestimmungsreport Nr. 84, April 2025