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Sozialen Ausgleich bei CO₂-Abgaben verbessern Böckler Impuls

Energiekosten: Sozialen Ausgleich bei CO₂-Abgaben verbessern

Ausgabe 20/2023

Für viele Haushalte wird es finanziell eng, wenn der CO₂-Preis steigt – trotz der geplanten Ausgleichszahlungen. Sie brauchen zusätzliche Unterstützung.

2027 startet die nächste Stufe des europäischen CO₂-Emissionshandels. Statt politisch gesetzter Preise greift dann bei Brennstoffen wie Öl, Gas oder Benzin im Gebäude- und Verkehrssektor ein Marktmechanismus. Während aktuell nur 30 Euro pro ausgestoßener Tonne CO₂ fällig sind, rechnen Fachleute mit bis zu 300 Euro in wenigen Jahren, wenn an die Stelle der heutigen CO₂-Steuer ein Preis tritt, der sich an einer Börse für CO₂-Zertifikate bildet. Um die Belastung für Privathaushalte zu mildern, plant die Bundesregierung, zumindest einen Teil der jährlichen Einnahmen aus dem Zertifikatehandel in Form einer Pro-Kopf-Pauschale, dem Klimageld, an die Bevölkerung zurückzugeben. Die Idee dahinter: Durch hohe CO₂-Preise sollen alle einen Anreiz zum Energiesparen haben, aber niemand soll insgesamt finanziell überfordert werden. 

Ob die Rechnung aus sozialer Sicht aufgeht, hat Lukas Endres vom IMK untersucht. Unter der Annahme, dass der Preis auf 275 Euro pro emittierter Tonne CO₂ steigt und alle Einnahmen daraus pauschal pro Kopf zurückerstattet werden, hat er die Verteilungswirkungen anhand von Daten aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes berechnet. Im ersten Schritt hat er die Zusatzbelastungen von Haushalten verschiedener Einkommensgruppen, die mit Öl oder Gas heizen, kalkuliert – noch ohne Anrechnung möglicher Ausgleichszahlungen. Berücksichtigt wird dabei, dass Vermieterinnen und Vermieter einen großen Teil der CO₂-Kosten tragen müssen, wenn die Energieeffizienz der Wohnung zu wünschen übriglässt. Wer mietet, steht daher in der Regel besser da als Eigentümerinnen und Eigentümer. Je nach Einkommen unterscheiden sich die Eigentumsquoten stark: Im untersten Zehntel der Einkommensverteilung besitzen gerade einmal acht Prozent ihre Wohnräume, im obersten Zehntel 79 Prozent.

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Dennoch müsste nach der Modellrechnung des IMK ohne Kompensation durch das Klimageld auch im untersten Zehntel der Verteilung mehr als die Hälfte der Haushalte deutlich über zwei Prozent ihres Nettoeinkommens für CO₂-Abgaben aufwenden, die für Wärmeenergie anfallen. Bis in den mittleren Einkommensbereich bleibt ohne Ausgleichszahlung „die relative Belastung sehr hoch“, so IMK-Forscher Endres. Am oberen Ende nimmt sie ab.

Ähnlich ist das Bild beim Verkehr: Viele Haushalte mit niedrigen Einkommen besitzen kein Auto und sind daher von höheren Benzin- und Dieselpreisen nicht betroffen. Mit dem Einkommen steigen die zusätzlichen Ausgaben. Für Haushalte mit mittlerem Verbrauch wäre die Belastung im Verhältnis zum Einkommen in der Mitte der Verteilung, beim fünften und sechsten Zehntel, am höchsten. Ab dem siebten Zehntel nehmen die absoluten Ausgaben durch den CO₂-Preis zwar weiter zu, relativ zum Einkommen gehen sie aber wieder zurück.

Im dritten Schritt seiner Analyse stellt der Forscher den kumulierten Belastungen durch den höheren CO₂-Preis die Entlastungen durch eine pauschale Ausgleichszahlung gegenüber. Ergebnis: Auch mit Kompensation durch ein Klimageld hätte „noch eine Vielzahl der Haushalte in Deutschland hohe Zusatzkosten durch die CO₂-Bepreisung in den Sektoren Verkehr und Wärme“ zu tragen. Das Konzept der Pauschale verfolge zwar grundsätzlich einen sozialen Ansatz, und tatsächlich werde ein großer Anteil der Haushalte von Mieterinnen und Mietern mit geringeren bis mittleren Einkommen wirksam entlastet, so Endres. Doch die Abweichungen von einer sozialen „Ideallinie“ sind so groß, dass der IMK-Forscher das Pro-Kopf-Klimageld insgesamt als „wenig zielgenau“ bewertet. Einerseits zählen auch Haushalte aus hohen Einkommensgruppen zu den Profiteuren. Andererseits ist die Gruppe derer, die beträchtliche Einkommenseinbußen haben, sehr groß.  

Mehr als 50 Prozent der stark belasteten Haushalte haben ein niedriges bis mittleres Einkommen. Nicht selten dürfte es sich um Menschen im Rentenalter handeln, die allein in älteren Häusern auf dem Land leben und denen „oft kaum finanzielle Mittel zur Emissionsreduktion durch Sanierung oder Heizungstausch zur Verfügung stehen dürften“, so Endres. 

„Die Ergebnisse zeigen, dass ein Pro-Kopf-Klimageld allein nicht ausreicht, um soziale Verwerfungen durch einen steigenden CO₂-Preis zu vermeiden“, sagt IMK-Direktor Sebastian Dullien. „Um die Dekarbonisierung sozialverträglich hinzubekommen, braucht man neben diesen Instrumenten ganz klar weitere Fördermaßnahmen, etwa für eine beschleunigte Sanierung von Gebäuden und den Ausbau des Personenverkehrs, gerade auch auf dem Land.“ An dieser Stelle dürfe trotz knapper öffentlicher Mittel nicht gespart werden.

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