zurück
Privat finanziert kostet mehr Böckler Impuls

Energiewende: Privat finanziert kostet mehr

Ausgabe 01/2025

Wird der Ausbau der deutschen Stromnetze durch private Investoren finanziert, sind die Kosten für Haushalte und Betriebe fast doppelt so hoch wie bei staatlicher Finanzierung.

Der für die Energiewende notwendige massive Ausbau der Stromnetze wird für private Haushalte und Unternehmen finanziell herausfordernd, aber insgesamt tragbar sein – wenn die öffentliche Hand eine zentrale Rolle bei der Finanzierung übernimmt. Die durchschnittlichen Netzentgelte würden im Falle einer öffentlichen Finanzierung nur um 1,7 Cent pro Kilowattstunde steigen. Fast doppelt so stark, nämlich um 3 Cent pro Kilowattstunde, müssen sie angehoben werden, wenn private Investoren das notwendige Kapital zur Verfügung stellen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Wirtschaftswissenschaftlern der Universität Mannheim, die von der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) gefördert wurde. 

„Ein nachhaltiger und effizienter Ausbau der Stromnetze ist nur mit einer massiven Stärkung der Eigenkapitalbasis der Netzbetreiber möglich – und diese sollte durch öffentliches Kapital erfolgen, um die Energiewende sozialverträglich und wirtschaftlich tragfähig zu gestalten“, schreiben Tom Krebs und Patrick Kaczmarczyk. In einer früheren Studie hatten sie berechnet, dass bis 2045 651 Milliarden Euro in den Ausbau der Stromnetze investiert werden müssen. Die Studie zeige, so Christina Schildmann, Leiterin der HBS-Forschungsförderung, wie wichtig die Diskussion darüber ist, welche Rolle der Staat beim Ausbau der für die Transformation wichtigen Infrastrukturen spielen soll.

Newsletter abonnieren

Alle 14 Tage Böckler Impuls mit Analysen rund um die Themen Arbeit, Wirtschaft und Soziales im Postfach: HIER anmelden!

Vorteile bei öffentlicher Finanzierung

Die Forscher haben drei Szenarien zur Finanzierung durchgerechnet, die derzeit diskutiert werden: Im ersten Szenario wird die Eigenkapitalbasis der Netzbetreiber mit öffentlichem Kapital gestärkt und zusätzlich Fremdkapital aufgenommen, um die notwendigen Neuinvestitionen zu finanzieren. Dazu könnte sich der Staat beispielsweise über die staatliche Förderbank KfW oder über eine neu gegründete Infrastrukturgesellschaft an großen Netzbetreibern bis hin zur vollständigen Übernahme beteiligen und so deren Eigenkapital stärken. Derzeit muss der Bund für die dafür notwendigen Kredite 2,5 Prozent Zinsen zahlen. Krebs und Kacz­marczyk gehen in ihren Berechnungen von einem öffentlichen Fremdkapitalzinssatz von 3 Prozent und einer moderaten öffentlichen Eigenkapitalrendite von ebenfalls 3 Prozent aus, da die öffentliche Hand primär gemeinwohlorientiert und nicht gewinnorientiert handeln sollte. Dieser finanzielle Vorteil könnte an die Kundinnen und Kunden weitergegeben werden, sodass sich der Anstieg der Netzentgelte auf 1,7 Cent pro Kilowattstunde beschränkt. Das Engagement der öffentlichen Hand in dieser Konstellation ist nach Ansicht der Ökonomen mit der Schuldenbremse vereinbar.

Privatfinanzierung ökonomisch nicht sinnvoll

Im zweiten Szenario wird ebenfalls die Eigenkapitalbasis der Netzbetreiber erweitert und zusätzliches Fremdkapital aufgenommen, das Eigenkapital jedoch von privaten Finanzinvestoren bereitgestellt. Für diese Finanzierungsoption setzen die Ökonomen in ihrer Berechnung eine Eigenkapitalverzin­sung von 9 Prozent und Fremdkapitalkosten von 4 Prozent an, woraus sich ein gewichteter Kapitalzinssatz von 6 Prozent ergibt – rund ein Prozentpunkt über dem Niveau, das die Bundesnetzagentur derzeit veranschlagt. Der in der Studie verwendete Eigenkapitalzinssatz orientiert sich an den Renditen privater Investoren für bereits realisierte Infrastrukturprojekte. Private Investoren begründen die hohen Aufschläge auf ihre eigenen Kreditkosten mit den Ausfallrisiken, die sie bei Großprojekten eingehen. Gleichzeitig fordern Finanz- und Energiewirtschaft aber regelmäßig staatliche Garantien, kritisieren Kaczmarczyk und Krebs. Das sei „widersprüchlich und ökonomisch nicht sinnvoll“. Im konkreten Szenario würden die Netzentgelte um 3 Cent pro Kilowattstunde steigen.

Selbstfinanzierung ist kaum tragbar

Im dritten Szenario werden keine zusätzlichen Eigen- und Fremdkapitalmittel aufgenommen, sodass die notwendigen Neuinvestitionen aus Eigenmitteln der Netzbetreiber finanziert werden müssen. Diese Option erfordert eine sofortige Erhöhung der Netzentgelte um 7,5 Cent pro Kilowattstunde, denn der Aufschlag muss zeitgleich mit den Investitionsausgaben erfolgen, während die ersten beiden Finanzierungsoptionen eine zeitliche Entkopplung von Einnahmen aus Netzentgelten und Ausgaben für Neuinvestitionen ermöglichen. Zwar würde der Aufschlag auf die Netzentgelte in Szenario drei im Zeitverlauf deutlich sinken und nach 2045 wieder auf das Ausgangsniveau zurückfallen, während er in den Szenarien eins und zwei dauerhaft erforderlich wäre. Allerdings „wären die drastischen, kurzfristigen Anstiege der Netzentgelte bis 2037 für Unternehmen und Haushalte kaum tragbar“, warnen die Ökonomen.

Patrick Kaczmarczyk, Tom Krebs: Finanzierungsoptionen für den Stromnetzausbau und ihre Auswirkungen auf die Netzentgelte, IMK Study 98, Januar 2025

Impuls-Beitrag als PDF

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrem Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen