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Potenziell große Reichweite Böckler Impuls

Unternehmensmitbestimmung: Potenziell große Reichweite

Ausgabe 04/2021

Nur in relativ wenigen Unternehmen bestimmen Beschäftigte im Aufsichtsrat mit. Dennoch machen diese Unternehmen den Kern der deutschen Wirtschaft aus. Würden Gesetzeslücken geschlossen, wäre die Ausstrahlung der Mitbestimmung wesentlich stärker.

Die überwiegende Mehrheit der rund 3,5 Millionen Unternehmen in Deutschland hat nur wenige Arbeitnehmer oder besteht sogar ausschließlich aus einer Person. Dort gibt es keine Unternehmensmitbestimmung. Die Drittelbeteiligung im Aufsichtsrat greift erst bei über 500 inländischen Beschäftigten, für die paritätische Mitbestimmung sind mindestens 2000 Arbeitnehmer nötig, in der Montanindustrie 1000. Außerdem gelten die Gesetze nur für Kapitalgesellschaften wie AG oder GmbH. Ist die Unternehmensmitbestimmung damit eher ein Randphänomen in der deutschen Wirtschaft? 

Nein, zeigt eine aktuelle I.M.U.-Studie. Die Autoren Oliver Emons, Henrik Steinhaus und Stephan Kraft haben die Unternehmensstrukturen hierzulande unter die Lupe genommen. Legt man ausschließlich die Zahl der Unternehmen zugrunde, erscheint die Bedeutung der Mitbestimmung im Aufsichtsrat zwar zunächst überschaubar: Mittelgroße Unternehmen mit 500 bis 2000 Beschäftigten und Großunternehmen mit über 2000 Mitarbeitern machen jeweils weniger als ein Prozent aller Unternehmen aus. Trotzdem spielen sie eine tragende Rolle: 2018 arbeitete mehr als ein Drittel aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Unternehmen dieser Größenordnung, 11 Millionen von knapp 31 Millionen. 42 Prozent aller Umsätze der deutschen Wirtschaft entfallen auf diese Unternehmen und knapp 46 Prozent der Wertschöpfung. Besonders stark vertreten sind große und mittelgroße Unternehmen etwa in Gesundheitswesen, Einzelhandel und Maschinenbau. 

Kapitalgesellschaften und damit den Mitbestimmungsgesetzen unterworfen sind rund 63 Prozent der Unternehmen mit über 500 Beschäftigten. Ihre ökonomische, arbeitsmarkt- und industriepolitische Bedeutung ist „als sehr hoch einzuschätzen“, so Emons, Steinhaus und Kraft – viel größer, als es in der Öffentlichkeit oft dargestellt wird. Von einer „Dekonstruktion großer Unternehmen durch Digitalisierung in kleinere selbstständige Einheiten“ oder einem „Ableben der großen traditionellen Industrie- und Verwaltungsunternehmen“ könne nicht die Rede sein. Eine Transformation der Wirtschaft finde zwar statt, aber zum wesentlichen Teil innerhalb der großen Unternehmen, nicht indem diese durch – mitbestimmungsfreie – Start-ups ersetzt werden. 

Das Problem ist aber: Allein in der Größenklasse ab 2000 Beschäftigte enthalten über 300 Unternehmen ihren Beschäftigten die Mitbestimmung vor. In einem Drittel der Fälle, indem sie die Mitbestimmungsgesetze rechtswidrig ignorieren; zwei Drittel nutzen Gesetzeslücken. Diese Praktiken durch ein „Mitbestimmung-für-Alle-Gesetz“ zu unterbinden, stehe „für die Gewerkschaften ganz oben auf der Agenda im Jahr der Bundestagswahlen“, sagt Norbert Kluge, Geschäftsführer der Hans-Böckler-Stiftung. Mitbestimmung im Aufsichtsrat sollte für alle großen Unternehmen in Deutschland unabhängig von der Rechtsform gelten – und praktiziert werden.

Oliver Emons, Henrik Steinhaus, Stephan Kraft: Mittelgroße und große Unternehmen in Deutschland (pdf), Mitbestimmungsreport Nr. 164, Februar 2021

Sebastian Sick: Erosion als Herausforderung für die Unternehmensmitbestimmung, in: Mitbestimmung der Zukunft. Mitbestimmungsreport Nr. 58 (pdf), April 2020

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