Quelle: HBS
Böckler ImpulsBetriebsräte: Mitbestimmung macht demokratisch
Beschäftigte in mitbestimmten Betrieben sind im Schnitt zufriedener mit der Demokratie in Deutschland als diejenigen ohne Interessenvertretung.
Umfragen deuten auf Rekordergebnisse der AfD bei den Landtagswahlen in diesem Jahr hin. Das wirft die Frage auf, wie sich die offene Gesellschaft gegen Populismus und Extremismus verteidigen lässt. Einen Beitrag zu dieser Debatte leistet eine Studie von Christian Pfeifer: Der Ökonom von der Leuphana Universität Lüneburg weist empirisch nach, dass Betriebsräte sich positiv auf die Akzeptanz des politischen Systems auswirken.
Pfeifer hat für seine Untersuchung Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus dem Jahr 2016 ausgewertet. Dieses Jahr ist das einzige, in dem für die repräsentative Erhebung sowohl die Zufriedenheit mit der hiesigen Demokratie abgefragt wurde als auch das Vorhandensein eines Betriebsrats. Die Analyse bezieht sich auf die Angaben von regulär Beschäftigten zwischen 18 und 65 Jahren, die in der Privatwirtschaft arbeiten und über einen deutschen Pass verfügen.
Den Berechnungen zufolge erhöht betriebliche Mitbestimmung die Zufriedenheit mit der demokratischen Ordnung, die auf einer Skala von 0 bis 10 gemessen wurde, um etwa 0,2 Punkte. Das gilt auch dann, wenn Faktoren wie das emotionale Wohlergehen, die Qualifikation oder die Betriebsgröße statistisch berücksichtigt werden. Selbst wenn zusätzlich die Arbeitszufriedenheit einbezogen wird, ändert sich nichts am Ergebnis. Der Effekt ist nach Einschätzung des Wissenschaftlers durchaus relevant: Wenn man den Durchschnittswert von 5,7 auf der Zufriedenheitsskala zugrunde legt, entspricht die Steigerung 3,5 Prozent. In Ostdeutschland fällt das Plus doppelt so groß aus wie im Westen.
In weiteren Schritten hat der Forscher unter anderem zusätzlich Daten aus den Jahren 2005 und 2010 ausgewertet. In diesen Jahren wurde die Zufriedenheit mit der Demokratie erhoben, in den Folgejahren war jeweils die betriebliche Mitbestimmung Gegenstand der Befragung, sodass sich zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Zusammenhang herstellen lässt. Auch diese Berechnungen bestätigen den grundsätzlichen Befund. Die Analyse deutet zudem darauf hin, dass der Wert von 0,2 Punkten eher die Untergrenze des tatsächlichen Effekts darstellt.
Pfeifer erklärt die Ergebnisse seiner Untersuchung damit, dass positive Erfahrungen mit demokratischen Praktiken am Arbeitsplatz die Wahrnehmung des politischen Systems insgesamt beeinflussen. Die betriebliche Mitbestimmung zu stärken könnte in turbulenten Zeiten die Demokratie festigen. Das gelte insbesondere für Ostdeutschland, wo es im Vergleich zum Westen weniger Betriebsräte und mehr Politikverdrossenheit gibt.
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Christian Pfeifer: Can worker codetermination stabilize democracies? Works councils and satisfaction with democracy in Germany (pdf), University of Lüneburg Working Paper Series in Economics Nr. 420, Mai 2023