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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Mitbestimmte Länder wirtschaften gut

Ausgabe 15/2005

Mitbestimmung steht dem wirtschaftlichen Erfolg eines Landes nicht entgegen. Im Gegenteil: In Europa sind starke Ökonomien dort zu Hause, wo Arbeitnehmer bis in die Unternehmensspitze hinein obligatorisch an Entscheidungen beteiligt sind. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von Sigurt Vitols vom Wissenschaftszentrum Berlin.

Der Forscher hat im Auftrag des SEEurope Network unter Leitung von Norbert Kluge die Mitgliedsländer der EU in zwei Gruppen aufgeteilt: Länder mit ausgebauter Arbeitnehmerbeteiligung - wie Deutschland - und Länder mit schwach ausgeprägten oder nicht vorhandenen gesetzlichen Vorgaben. Vitols prüfte eine Reihe von Indikatoren ab: Arbeitslosigkeit, Streiktage, Arbeitsproduktivität, Handels- und Leistungsbilanz, reales Wachstum, den Grad der Ungleichheit in der Verteilung von Einkommen und die wirtschaftliche Attraktivität eines Landes aus der Sicht von Unternehmern.

Die Ergebnisse sind so klar wie für viele überraschend: Außer beim realen Wachstum schnitten Länder mit ausgebauter Mitbestimmung besser ab als jene ohne. Daraus lässt sich zwar nicht schließen, dass ausgebaute Arbeitnehmerbeteiligung eine Bedingung für ökonomischen Erfolg ist. Doch gibt es keinen Grund, Corporate Governance wegen der angeblich besseren wirtschaftlichen Performanz an das angelsächsische, nicht mitbestimmte Vorbild anzupassen.

Dagegen spricht auch die unterschiedliche Struktur der Kapitaleigner. Während in den USA und Großbritannien breit streuende und äußerst bewegliche Aktionäre agieren, dominieren auf dem Kontinent nach wie vor Großaktionäre. Arbeitnehmer in Deutschland sind in diesen Unternehmen obligatorisch über die Mitbestimmung an der Unternehmensverwaltung beteiligt. "Ihre Präsenz scheint überzogene Renditeerwartungen von Investoren zu filtern und zu dämpfen", analysiert Vitols. Dies sei im Interesse des mittel- und langfristigen Erhalts von Unternehmen.

Die Studie liefert gute Argumente für ein europäisches Modell von Corporate Governance, das sich sowohl ökonomischen als auch gesellschaftspolitischen Zielen verpflichtet sieht. "Wenn Mitbestimmung keine negativen ökonomischen Auswirkungen hat, so ist sie zu begrüßen, weil sie Vorteile für Arbeitnehmer bedeutet", urteilt der Forscher. Sie solle und könne auf alle EU-Länder ausgedehnt werden.

  • Mitbestimmung steht dem wirtschaftlichen Erfolg eines Landes nicht entgegen. Im Gegenteil: In Europa sind starke Ökonomien dort zu Hause, wo Arbeitnehmer bis in die Unternehmensspitze hinein obligatorisch an Entscheidungen beteiligt sind. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von Sigurt Vitols vom Wissenschaftszentrum Berlin. Zur Grafik

Sigurt Vitols: Prospects for Trade Unions in the Evolving European System of Corporate Governance, ETUI-report, Brüssel 2005

Der Bericht auf Deutsch: Strategien für Gewerkschaften in einem europäischen System der Corporate Governance, August 2005
Download (pdf)

Siehe auch European Trade Union Institute: Benchmarking Social Europe, Brüssel 2005.

 

mehr Infos zur betrieblichen Mitbestimmung

Über die nationalen Unterschiede der Mitbestimmung im Einzelnen informiert die Website http://www.seeurope-network.org/.

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