Quelle: HBS
Böckler ImpulsMitbestimmung: Mehr Weiterbildung mit Betriebsrat
Betriebsräte tragen dazu bei, dass mehr Weiterbildung stattfindet. Besonders stark profitieren Beschäftigte mit einfachen Tätigkeiten und in Betrieben, die technologisch hinterherhinken.
Um für die Digitalisierung gewappnet zu sein, müssen Beschäftigte sich weiterbilden. Das gilt insbesondere für Geringqualifizierte. Ausgerechnet diese Gruppe komme allerdings in Sachen Weiterbildung regelmäßig zu kurz, warnen Alexander Lammers von der TU Dortmund sowie Felix Lukowski und Kathrin Weis vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Sie weisen in einer Studie nach, dass Mitbestimmung hier Abhilfe schaffen kann: Vor allem wenn Firmen technologischen Nachholbedarf haben, sorgen Betriebsräte dafür, dass die Belegschaft sich weiterbilden kann. Der Effekt ist besonders stark ausgeprägt in Hinsicht auf Beschäftigte, deren Jobs aktuell nur wenig Qualifikation voraussetzen.
Die Studie basiert auf Daten einer BIBB-Befragung, an der jährlich 3500 bis 4000 Betriebe teilnehmen, und bezieht sich auf Privatbetriebe mit mindestens fünf Beschäftigten. Zu den erhobenen Merkmalen gehören die von den Firmen verwendeten digitalen Technologien, deren Spanne von elementaren Dingen wie Laptops oder Mail-Programmen bis hin zu maschinellem Lernen und intelligenten Fabriken reicht. Anhand dieser Angaben haben die Forschenden berechnet, wie viel digitale Technologie in den einzelnen Branchen im Schnitt zum Einsatz kommt, und die Betriebe entsprechend als über- oder unterdurchschnittlich digitalisiert kategorisiert.
Gemäß der Auswertung sind sowohl der Anteil der Firmen, die überhaupt Weiterbildung anbieten, als auch der Anteil der teilnehmenden Beschäftigten deutlich höher, wenn es einen Betriebsrat gibt. Das gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die einfache Tätigkeiten ausführen, genauso wie für die anderen. Auch wenn Faktoren wie die Betriebsgröße, die Tarifbindung oder der Anteil der Teilzeit-Jobs statistisch berücksichtigt werden, ergibt sich ein positiver Effekt. Durchgehend robust ist dieser Effekt bei den Betrieben, die technologisch unter dem Branchendurchschnitt liegen. Und besonders stark fällt er aus, wenn es um Beschäftigte auf Arbeitsplätzen geht, die nur ein geringes Qualifikationsniveau voraussetzen.
Betriebsräte kämpfen für Zusammenhalt
Dass mitbestimmte Betriebe grundsätzlich mehr Weiterbildung anbieten, führen die Forschenden darauf zurück, dass sich Betriebsräte als Sprachrohr der Belegschaft für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen und so die Fluktuation senken. Das mache es auch aus Sicht des Managements lohnender, in die Fähigkeiten der Beschäftigten zu investieren. Dass die Betriebsräte besonders engagiert als Anwalt der Geringqualifizierten auftreten, könnte damit zusammenhängen, dass ihnen am Zusammenhalt in der Belegschaft gelegen ist. Weiterbildung für die weniger gut Qualifizierten wirke der Lohnspreizung im Betrieb entgegen. Als Erklärung für die schwächeren Effekte in den überdurchschnittlich digitalisierten Betrieben verweisen Lammers und Co darauf, dass solche Unternehmen selbst ein starkes Interesse daran haben, das Knowhow ihrer Beschäftigten auf dem neuesten Stand zu halten. Daher brauche ein Betriebsrat in Sachen Qualifizierung dort keinen Druck zu machen. Umso wichtiger sei dies aber in den technologisch weniger fortgeschrittenen Betrieben.
Alexander Lammers, Felix Lukowski, Kathrin Weis: The relationship between works councils and firms’ further training provision in times of technological change, British Journal of Industrial Relations, September 2022