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HBS Böckler Impuls

Gleichstellung: Klare Regeln verkleinern den Unterschied

Ausgabe 16/2009

Die berufliche Gleichstellung ist in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt kaum vorangekommen. In Ländern wie den USA, Frankreich oder Schweden stehen Frauen in der Arbeitswelt besser da - dank ganz unterschiedlicher Regulierungsmodelle.

Es gibt viele Wege zur beruflichen Gleichstellung von Frauen und Männern - aber von allein geht's nicht. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung von Silke Bothfeld, Sebastian Hübers und Sophie Rouault. In ihrer Fünf-Länder-Studie haben sie die Maßnahmen zur Gleichstellung in den Betrieben und deren Resultate wie Frauenerwerbsquote und Entgeltunterschiede zwischen den Geschlechtern untersucht. Die Gleichstellungsbemühungen der USA, Frankreichs, der Schweiz und Schwedens schneiden jeweils besser ab als die deutschen. Dabei haben sie Gender-Fortschritte mit zum Teil völlig verschiedenen Mitteln erreicht. Der deutschen Gleichstellungsstrategie attestieren die Wissenschaftlerinnen drei Defizite:

  • Es fehlt an "substanziellen Sanktions- und Kontrollmechanismen".
  • In Deutschland existiert kein "allgemeines Monitoringsystem", das Fortschritte und Rückfälle präzise dokumentiert.
  • Vor allem sind die Anforderungen an die betriebliche Gleichstellungspolitik zu "unverbindlich formuliert und werden zu wenig durch institutionalisierte Beratungs- und Informationsnetzwerke gestützt".

Die Wissenschaftlerinnen haben die Kernpunkte der unterschiedlichen Gleichstellungsstrategien analysiert und herausgearbeitet, welche Regelungen Vorbildcharakter für Deutschland haben könnten:

USA. Hier liegt die Frauenerwerbsquote zwar mit 66 Prozent nur etwas höher als in Deutschland. Vor allem aber ist ein deutlicher Rückgang der Einkommensdifferenz zwischen vollzeitbeschäftigten Frauen und Männern in den vergangenen zehn Jahren zu beobachten: Von 24 Prozent 1997 auf 20 Prozent im Jahr 2007. Der deutsche Wert liegt bei 23 Prozent. Die wesentlichen Instrumente der US-amerikanischen Gleichstellungspolitik sind weit reichende Anti-Diskriminierungsgesetzgebung und Klagebefugnisse: Nicht nur die betroffenen Arbeitnehmerinnen selbst können vor Gericht ziehen, sondern auch die Bundesgleichstellungsbehörde sowie Nichtregierungsorganisationen oder Gewerkschaften. Die Gleichstellungsbehörde bearbeitet pro Jahr etwa 25.000 Fälle. 80 Prozent der Konflikte konnten 2007 durch ein Schlichtungsverfahren gelöst werden. Die Betroffenen bekamen im Schnitt eine Entschädigung von gut 6.000 Dollar. Ist keine gütliche Einigung möglich, kommt es zum Gerichtsverfahren, was zu Schadenersatzansprüchen von bis zu 300.000 Dollar führen kann. Die Verbindlichkeit der Antidiskriminierungsgesetze wird in den USA "über die hohe Sanktionsandrohung erzwungen", so die Studie. Außerdem müssen öffentliche Betriebe und solche, die öffentliche Aufträge bekommen wollen, Gleichstellungspläne aufstellen. Bei Verstößen drohen ebenfalls Schadenersatzforderungen; 2008 zahlten Unternehmen entsprechende Entschädigungen in Höhe von knapp 67 Millionen Dollar.

Schweiz. Mit fast 72 Prozent liegt die Frauenerwerbsquote in der Schweiz über dem OECD-Durchschnitt, obwohl viele Frauen nur in Teilzeit tätig sind. Auch in der Schweiz ist laut OECD-Statistik der Lohnrückstand der Frauen in den vergangenen Jahren deutlich geschrumpft, von 25 Prozent 1996 auf 19 Prozent 2006. Zwar greift der Staat kaum präventiv in betriebliche Prozesse ein, um die Einhaltung von Gleichstellungsvorschriften zu gewährleisten, es werden aber die Unternehmen kontrolliert, die öffentliche Aufträge ausführen, so die Studie. Außerdem unterstützt das Schweizer Gleichstellungsbüro Unternehmen mit Beratung und spezieller Software zur Analyse potenziell diskriminierender Gehaltsstrukturen. Vor allem aber besteht ein Verbandsklagerecht, mit dem zumindest im öffentlichen Dienst große Erfolge erzielt werden konnten.

Frankreich. Die Frauenerwerbsquote liegt ähnlich hoch wie in Deutschland, aber die Französinnen sind häufiger in Vollzeit beschäftigt als die deutschen Frauen. Mit nur 12 Prozent weist Frankreich einen der geringsten Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern auf. Zudem sind Frauen deutlich häufiger in Führungspositionen als in Deutschland. Die guten Werte erklären Bothfeld und ihre Koautorinnen mit der "generell starken Regulierung des Arbeitnehmerstatus und dessen prinzipieller Anwendung auf beide Geschlechter" und der Familienpolitik. Das gelte besonders für die gut ausgebaute Kleinkindbetreuung, die gut einem Viertel der unter Dreijährigen einen Platz in der Krippe oder bei einer Tagesmutter verschafft. Weniger erfolgreich ist die Politik auf betrieblicher Ebene: Größere Betriebe sind zwar verpflichtet, Gleichstellungspläne zu erstellen und Gleichstellungsfragen im Betrieb jährlich neu zu verhandeln. Zudem gibt es staatliche Subventionen etwa für die Weiterbildung gering qualifizierter Frauen. Dennoch schreiben die Autorinnen der Studie: "Die Verpflichtung der betrieblichen Akteure zur eigenständigen Entwicklung gleichstellungspolitischer Strategien kann bisher als gescheitert betrachtet werden", da es an unabhängigen Beratungs- und Kontrollinstanzen fehlt.

Schweden. 72 Prozent aller erwerbsfähigen Schwedinnen gehen arbeiten, der Einkommensunterschied zu Männern beträgt 16 Prozent. Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten müssen in einem jährlichen Bericht über Entgelt- und Beschäftigtenstruktur sowie den Stand der Gleichstellung auf Führungs- und Vorstandsebene Auskunft geben. Zudem müssen sie Pläne vorlegen, wie sie Defizite zu bekämpfen gedenken. Eine Ombudsstelle überwacht die Einhaltung. Gewerkschaften können Strafen beantragen, wenn Betriebe sich nicht an die Planpflicht halten. Insgesamt setzt das schwedische Gleichstellungsmodell mit der Ombudsstelle jedoch vor allem auf Information, Beratung und Konsenslösungen, weniger auf Sanktionsmechanismen - nur wenige Diskriminierungsfälle landen bei den Gerichten. Zudem stärkt die schwedische Sozialpolitik berufstätigen Frauen den Rücken, indem sie auch Väter ermutigt, Erziehungsurlaub zu nehmen.

Das Fazit der Untersuchung: Die im Großen und Ganzen ähnlichen gesetzlichen Antidiskriminierungsvorschriften haben jeweils einen sehr unterschiedlichen Stellenwert in der Gesamtstrategie zur beruflichen Gleichstellung von Frauen und Männern. Die Regelungen werden in den untersuchten Ländern in unterschiedlicher Weise umgesetzt. Dies kann entweder kooperativ geschehen, durch ein von breiter gesellschaftlicher Akzeptanz getragenes Netz von Institutionen wie in Schweden oder durch harte Strafandrohungen wie in den USA.

Interessante Beispiele zur Ergänzung der deutschen Strategie wären nach Meinung der Wissenschaftlerinnen ein Verbandsklagerecht wie in den Vereinigten Staaten oder der Schweiz, das Mediationsverfahren nach schwedischem Vorbild oder ein gesetzlicher Mindestlohn, den es in Frankreich gibt. Grundsätzlich sei zu überlegen, wie die Rolle der Betriebsräte bei der Entwicklung betrieblicher Gleichstellungsstrategien gestärkt werden könnte.


Vergeblich auf Freiwilligkeit gesetzt

Im Jahr 2001 schlossen Bundesregierung und Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft die freiwillige Vereinbarung "zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft" ab - nachdem die damalige Bundesregierung sich nicht zu gesetzlichen Regelungen durchringen konnte. Acht Jahre später analysiert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Auswirkungen der freiwilligen Selbstverpflichtung. Der "Führungskräfte-Monitor" untersucht insbesondere die beruflichen Aufstiegschancen von Frauen. Das Fazit des DIW: Es hat sich kaum etwas getan. "Das Versprechen der Privatwirtschaft zur Verbesserung der Chancengleichheit von Frauen und Männern aus dem Jahr 2001 wartet bei den Führungspositionen noch auf seine Einlösung."

Die Forschungsergebnisse im Einzelnen:

  • In der privaten Wirtschaft zählte das DIW 2006 knapp vier Millionen Führungskräfte, davon waren weniger als ein Drittel Frauen. Seit 2001 sei zwar ein leichter Anstieg zu verzeichnen, dieser sei jedoch nicht "statistisch signifikant", so die Studie. 2007 ging der Frauenanteil sogar wieder zurück. 
  • Je höher die betrachtete Hierarchiestufe, desto weniger Frauen finden sich. Auf der Vorstandsebene sind nur zwei von hundert Managern weiblich. Das gilt selbst für Banken und Versicherungen, wo Frauen mehr als die Hälfte der Belegschaften stellen. Was den Frauenanteil in Vorstandsetagen betrifft, liegt Deutschland unter dem EU-Durchschnitt. 
  • Frauen verdienen weniger. 2006 bekamen weibliche Vollzeitbeschäftigte mit Führungsaufgaben im Durchschnitt 23 Prozent weniger Geld als männliche. Die Lücke ist seit 2001 nicht kleiner geworden. Aus komplexen statistischen Analysen folgert das DIW, dass fast zwei Drittel des so genannten Gender Pay Gap nicht ohne weiteres zu erklären sind: Hier wirkten "gesellschaftliche und kulturelle Rahmenbedingen", darunter auch "mittelbar und unmittelbar diskriminierende Praktiken auf dem Arbeitsmarkt und in den Unternehmen". Das verbleibende Drittel des Verdienstunterschiedes zwischen Männern und Frauen führt das DIW auf Unterschiede bei Ausbildung, Berufserfahrung, Branche, Arbeitszeiten oder familiär bedingte Einschränkungen der beruflichen Flexibilität zurück.

Um das Ziel Chancengleichheit auf der Führungsebene zu erreichen, sind laut DIW vor allem drei Punkte entscheidend: Erstens sollte ein "verbindlicher Fahrplan mit festen Zielgrößen, klar zugeordneten Verantwortlichkeiten und Sanktionsmechanismen" aufgestellt werden. Zweitens sollte die Besetzung und Bezahlung von Führungsposten transparenter werden, wobei Frauen durch früh ansetzende Karriereprogramme gefördert werden könnten. Drittens sei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern - zum Beispiel indem Betriebe festlegen, dass langwierige Besprechungen nicht außerhalb der Kernarbeitszeit stattfinden.

Heide Pfarr, wissenschaftliche Direktorin des WSI: "Die Politik hat sich sehr lange mit freiwilligen Initiativen und Selbstverpflichtungen der Wirtschaft zufrieden gegeben. Diese Strategie ist gescheitert."

  • Beinahe die Hälfte der Beschäftigten ist weiblich – in den Führungsetagen spiegelt sich das jedoch nicht wider. Zur Grafik
  • Selbst in typischen Frauenberufen verdienen Männer mehr, in Männerberufen sowieso. Zur Grafik

Silke Bothfeld u.a.: Gleichstellungspolitische Rahmenbedingungen für das betriebliche Handeln - ein internationaler Vergleich, in: Projektgruppe GiB (Hrsg.): Geschlechterungleichheiten im Betrieb, edition sigma, Berlin, Dezember 2009

weitere Infos zum WSI-Projekt "Geschlechterverhältnisse im Betrieb. Arbeit, Entlohnung und Gleichstellung in der Privatwirtschaft"

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Führungskräfte-Monitor 2001-2006 (pdf), Nomos Verlag 2009

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