Quelle: HBS
Böckler ImpulsMitbestimmung: Kein Konflikt mit Europarecht
Ein Aktionär klagt gegen die deutsche Mitbestimmung. Der Fall wird vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt. Experten halten die Argumentation des Klägers für abwegig.
Ist die Mitbestimmung im Aufsichtsrat mit dem Europarecht vereinbar? Das muss der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden, nachdem ein Berliner Gericht die Klage eines TUI-Aktionärs an Europas höchste Richter weitergereicht hat.
Die Argumentation des Mitbestimmungsgegners: Weil ein deutscher Arbeitnehmer mit Sitz im Aufsichtsrat nicht zu einer Auslandstochter seines Arbeitgebers wechseln könne, ohne sein Mandat zu verlieren, verstoße das deutsche Mitbestimmungsrecht gegen den Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Der EuGH wird dem Gedankengang jedoch kaum folgen, erwarten Thomas Klein und Dominik Leist vom Institut für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Union (IAAEU) in Trier.
Wenn alle nationalen Gesetze, die grenzüberschreitende Jobwechsel in Einzelfällen unattraktiv machen, europarechtswidrig wären, würden damit große Teile der nationalen Arbeits- und Sozialgesetze infrage gestellt. Eine solche Interpretation würde jedoch „weit über den Zweck der Arbeitnehmerfreizügigkeit hinausgehen“, so die Juristen. Dass sich „Standortbedingungen“ von Land zu Land unterscheiden, nehme das Unionsrecht „ausdrücklich hin“. Bei der Freizügigkeit gehe es lediglich darum, echte „Zugangsbeschränkungen“ abzuschaffen.
Für Jobs im Ausland gilt nationales Recht
Hinzu kommt: Der Kläger ist Aktionär und kein vom Verlust des Aufsichtsratsmandats betroffener Arbeitnehmer. Nach bisheriger Rechtsprechung des EuGH muss der Kläger jedoch selbst betroffen sein. Bloße Gedankenspiele genügen nicht, „um einen hinreichenden Bezug zum Unionsrecht herzustellen“.
Auch eine europarechtswidrige Diskriminierung der Beschäftigten in Auslandsgesellschaften, die nicht an den Aufsichtsratswahlen teilnehmen dürfen, ist Klein und Leist zufolge nicht gegeben. Für ausländische Jobs gilt nun einmal ausländisches Recht. Und „verbleiben die Arbeitnehmer an ihrem ausländischen Beschäftigungsort, liegt kein grenzüberschreitender Sachverhalt vor“. Machen Arbeitnehmer dagegen von ihrer Freizügigkeit Gebrauch und wechseln in eine deutsche Niederlassung, dürfen sie auch den Aufsichtsrat wählen.
Thomas Klein, Dominik Leist: Vorlagen an den EuGH - Arbeitnehmerfreizügigkeit, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht 10/2016