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HBS Böckler Impuls

Unternehmensmitbestimmung: Größere Gremien, bessere Entscheidungen

Ausgabe 14/2006

Zu groß, zu schwerfällig, handlungsunfähig: So charakterisieren Kritiker den mitbestimmten Aufsichtsrat. Dabei wählen Aktiengesellschaften gern und häufig ein Kontrollgremium, das größer ist als gesetzlich vorgeschrieben - sogar Unternehmen ohne Mitbestimmung.

Immer wieder ist zu hören, mitbestimmte Aufsichtsräte seien zu groß im Vergleich zum angelsächsischen Board. Um eine effiziente Aufsichtsratsarbeit zu gewährleisten, sei eine Verkleinerung des Gremiums nötig. Diese These haben Wissenschaftler von der Universität Marburg einem Realitätstest unterzogen. Sie untersuchten zum Stichtag 1. Januar 2004 die Aufsichtsratsgröße deutscher Aktiengesellschaften. "Die Praxis hält ganz offenkundig größere Aufsichtsratsgremien für vorteilhaft beziehungsweise effizient", lautet das Fazit der Untersuchung. Die Ergebnisse im Einzelnen:

In den Unternehmen mit 76er Mitbestimmung überschreitet etwa ein Viertel die gesetzlich gebotene Aufsichtsratsgröße. 55 Prozent der öffentlichen Unternehmen haben das Gremium freiwillig vergrößert, denn die Parteien in Kommunal- und Landesparlamenten wollen als Vertreter der Eigentümer alle auf der Anteilseignerbank des Aufsichtsrats vertreten sein. Aber auch private Unternehmen haben aus freien Stücken einen größeren Aufsichtsrat; hier sind es 22 Prozent. Ausschlaggebend ist die Branche: Besonders Unternehmen aus Energie- und Wasserwirtschaft, Handel sowie Kredit- und Versicherungswirtschaft agierten in einer Wettbewerbsumwelt, die einen größeren Aufsichtsrat vorteilhaft erscheinen lasse. Auch übt der Kapitalmarkt keinen Druck aus, die Gremien möglichst klein zu halten.

Zusätzlich zu AGs mit mehr als 2.000 Beschäftigten betrachteten die Wissenschaftler auch alle weiteren Unternehmen aus den Börsenindizes DAX, M-DAX und TecDAX. In den Gesellschaften mit Drittelbeteiligung - sie haben zwischen 500 und 2.000 Mitarbeiter - hat die Mehrzahl einen Aufsichtsrat mit sechs bis neun Mitgliedern; gesetzlich vorgeschrieben sind nur drei. Die nicht mitbestimmten AGs haben zu fast 60 Prozent ihr Gremium freiwillig vergrößert. "Für Unternehmen mit weniger als 500 Arbeitnehmern sind die Aufsichtsräte mit sechs Mitgliedern erstaunlich groß", urteilen die Forscher. Die Kapitaleignerbank sei hier so groß wie in mitbestimmten Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten. "Dieser Befund lässt sich wohl nur so verstehen, dass der Bedarf an Beratung und Unsicherheitsvermeidung durch personelle Verflechtungen ganz erheblich ist." Sprich: Zusätzlicher Sachverstand bringe bessere Entscheidungen.

  • Viele Aktiengesellschaft haben ein Aufsichtsgremium, das deutlich größer ist als gesetzlich vorgeschrieben. Zur Grafik

Elmar Gerum, Malte Debus: Die Größe des Aufsichtsrats als rechtspolitisches Problem - Einige empirische Befunde, Diskussionspapier Nr. 1 zur Marburger Corporate Governance Forschung, gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung, Marburg, September 2006.
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