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Frauen kommen bei Weiterbildung zu kurz Böckler Impuls

Gleichstellung: Frauen kommen bei Weiterbildung zu kurz

Ausgabe 04/2025

Bei Weiterbildungen, die der Karriere nutzen, erhalten Männer öfter den Vorzug.

Frauen nehmen etwas häufiger an betrieblicher Weiterbildung teil als Männer. Aber: Sie absolvieren öfter kürzere Maßnahmen, die weniger karrierefördernd sind. Sie erhalten dabei seltener finanzielle und zeitliche Unterstützung. Männer hingegen profitieren häufiger von längeren Fortbildungen und werden dabei stärker von Vorgesetzten gefördert. Das ist das Ergebnis einer Analyse von Yvonne Lott, Magdalena Polloczek und Eileen Peters vom WSI. Die Sozialwissenschaftlerinnen haben eine repräsentative Befragung ausgewertet, die im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung alle zwei Jahre durchgeführt wird, zuletzt von Juli 2022 bis März 2023.  Die vorliegende Studie zum Weiterbildungsverhalten bezieht sich auf die Angaben von rund 6000 Erwerbspersonen.

„In Zeiten tiefgreifender Umbrüche auf dem Arbeitsmarkt ist Weiterbildung eine wichtige Voraussetzung für stabile Erwerbsverläufe. Umso wichtiger ist es, Frauen einen gleichberechtigten und vor allem karriereförderlichen Zugang zur Weiterbildung zu ermöglichen, um die ohnehin bestehenden geschlechtsspezifischen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt nicht zu verschärfen“, erklärt Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI.

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Infografik: Mütter nehmen mit 47 Prozent deutlich häufiger an kürzeren, nur wenige Stunden dauernden Weiterbildungsmaßnahmen teil als Väter mit 39 Prozent.
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Am häufigsten nehmen Frauen in Vollzeit an betrieblicher Weiterbildung teil – ihre Teilnahmequote liegt laut Befragung bei rund 66 Prozent. Zum Vergleich: Bei vollzeitbeschäftigten Männern beträgt sie rund 59 Prozent. Das liegt vor allem daran, dass in Bereichen mit überwiegend weiblichen Beschäftigten wie zum Beispiel dem Gesundheits- und Sozialwesen die Weiterbildung häufiger gesetzlich vorgeschrieben ist als in männerdominierten Bereichen etwa in der Industrie. Gleichzeitig nehmen Frauen mit 47 Prozent deutlich häufiger an kürzeren, nur wenige Stunden dauernden Weiterbildungen teil als Männer mit 39 Prozent. Bei den längeren Weiterbildungen liegt hingegen die Quote der Männer deutlich höher. Kurze Fortbildungen dienen vor allem dazu, neue Arbeitsmethoden einzuführen oder vorhandenes Wissen aufzufrischen, „ohne jedoch die Karriere maßgeblich voranzubringen“, schreiben die Forscherinnen. „Längere Weiterbildungen, die sich über mehrere Tage erstrecken, vermitteln hingegen tiefer gehenden fachlichen Input und  Wissen, was die Aufstiegschancen tatsächlich erhöhen kann.“

Besonders förderlich für den beruflichen Aufstieg ist die Unterstützung durch Vorgesetzte: Während 20 Prozent der Männer angeben, von ihren Vorgesetzten zu Weiterbildungsmaßnahmen ermutigt worden zu sein, sagen dies nur 15 Prozent der Frauen. Außerdem werden Männer etwas häufiger finanziell und zeitlich von ihrem Arbeitgeber unterstützt. Frauen hingegen ergreifen deutlich häufiger selbst die Initiative zur Weiterbildung. Dies deute darauf hin, dass sie auf diese Weise versuchen, fehlende Unterstützung zu kompensieren – und dass es ihnen nicht, wie oft unterstellt, an Interesse oder beruflichem Engagement mangelt, erklären die Wissenschaftlerinnen. 29 Prozent der befragten Frauen nennen Eigeninitiative als einen der wichtigsten Gründe für Weiterbildung, bei den Männern sind es 24 Prozent.

Besonders schwierig ist die Lage für Mütter: Sie sind der Doppelbelastung von Beruf und Familie stärker ausgesetzt als Väter. Aufgrund familiärer Verpflichtungen verzichten 39 Prozent von ihnen auf Weiterbildung, aber nur 22 Prozent der Väter. Zusätzlich werden Mütter bei der betrieblichen Weiterbildung am seltensten von ihren Vorgesetzten unterstützt.

Teilzeitbeschäftigte erhalten seltener Unterstützung von ihrem Arbeitgeber als Vollzeitbeschäftigte. Davon sind Frauen und Männer gleichermaßen betroffen. Allerdings haben Frauen in Teilzeit häufig mehr familiäre Verpflichtungen und sind daher stärker auf zeitliche Unterstützung während der Arbeitszeit oder auf Freistellung angewiesen, um an Weiterbildungen teilnehmen zu können. Insgesamt nehmen Frauen in Teilzeit am häufigsten an kürzeren und am seltensten an mehrtägigen Weiterbildungen teil.

Um Ungleichheiten im Bereich der Weiterbildung abzubauen, empfehlen die Forscherinnen:

  • die Unterstützung für Eltern auszubauen, zum Beispiel durch flexiblere Arbeitszeiten und mehr Selbstbestimmung, 
  • mehr Angebote zur Kinderbetreuung zu schaffen, durch Betriebe und den Staat,
  • gesetzliche Ansprüche zu schaffen, damit Weiterbildung nicht allein vom Wohlwollen des Arbeitgebers abhängt,
  • die bisherigen Vorschlagsrechte des Betriebsrats zu Mitbestimmungs- und Initiativrechten auszubauen, 
  • Weiterbildungsverbünde zu stärken. Das sind Netzwerke, in denen sich mehrere Betriebe einer Region zusammenschließen, um in der Weiterbildung zu kooperieren.

Yvonne Lott, Magdalena Polloczek, Eileen Peters: Und es gibt ihn doch! Der Gender Training Gap bei betrieblichen Weiterbildungen, WSI-Report Nr. 99, Februar 2025

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