Quelle: HBS
Böckler ImpulsMitbestimmung: Fast jeder zweite Beschäftigte hat einen Betriebsrat an seiner Seite
Die Reichweite der betrieblichen Mitbestimmung ist stabil. Das zeigen neue Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) auf Grundlage des IAB-Betriebspanels.
2005 repräsentierten Betriebsräte in den alten Ländern 47 Prozent der Beschäftigten, im Osten 39 Prozent - sogar ein Prozent mehr als im Jahr zuvor. Deutschlandweit verfügten etwa 11 Prozent der Betriebe der Privatwirtschaft mit mindestens fünf Arbeitnehmern über eine solche Interessenvertretung. Die Diskrepanz erklärt sich so: Zwar hat nur jeder 14. Kleinbetrieb mit bis zu 50 Beschäftigten einen Betriebsrat. Großbetriebe mit über 500 Arbeitnehmern verfügen hingegen zu fast 90 Prozent über eine Arbeitnehmervertretung. Nach wie vor finden sich besonders viele Betriebsräte im traditionell mitbestimmten Bergbau, in der Energie- und Wasserversorgung. Auch im Kredit- und Versicherungsgewerbe sind Interessenvertretungen stark. Weniger ausgeprägt ist die Mitbestimmungskultur in den vorwiegend kleinbetrieblich strukturierten Branchen des Dienstleistungsbereichs, des Handels und der Bauwirtschaft.
Zur "Kernzone des dualen Systems der Interessenvertretung" zählt IAB-Forscher Peter Ellguth per Betriebsrat mitbestimmte Betriebe, die an einen Branchentarifvertrag gebunden sind. 2005 fiel darunter etwa ein Drittel der Betriebe im Westen und ein gutes Fünftel im Osten. Zeitreihen zeigen: Seit 1996 ist dieses Segment in beiden Landesteilen geschrumpft. In den alten Ländern ist bis heute ein kontinuierlicher Rückgang zu beobachten. In Ostdeutschland ist der Abwärtstrend hingegen gestoppt: Seit 2002 schmilzt die "Kernzone" nicht weiter. "Die weitere Entwicklung muss zeigen, ob es sich dabei vielleicht nur um eine Verschnaufpause im Erosionsprozess der überbetrieblichen Interessenvertretung handelt", schreibt Ellguth.
Die "weißen Flecken der Tarif- und Mitbestimmungslandschaft" sind zum weitaus größten Teil eine Folge der schrumpfenden Bindung an Branchentarifverträge, stellt der IAB-Forscher fest: So haben in Ostdeutschland neun Prozent der Betriebe mit Betriebsrat einen Haustarifvertrag. Genauso viele sind gar nicht tarifgebunden. Die westdeutschen Werte liegen etwas darunter.
In Unternehmen ohne Betriebsrat haben sich zum Teil andere Vertretungsformen wie "Runde Tische" oder Belegschaftssprecher herausgebildet. Sie repräsentieren insgesamt einen deutlich geringeren Teil der Arbeitnehmer als Betriebsräte. Das Spektrum solcher Vertretungsmodelle unterhalb des Betriebsratsniveaus ist groß. Es reicht von reinen Arbeitnehmerorganen bis zu Gesprächsrunden, in denen die Geschäftsleitung mit am Tisch sitzt. Die Belegschaftsvertreter können gewählt oder vom Management eingesetzt sein.
In den westdeutschen Betrieben haben 13 Prozent der Arbeitnehmer andere Vertretungsgremien. In Ostdeutschland sind es 8 Prozent. Im Unterschied zu Betrieben mit Betriebsrat gibt es bei den schwächeren Formen der Interessenvertretung keine klare größenspezifische Verteilung. Lediglich im Dienstleistungssektor finden sich mehr solcher Gremien als in anderen Branchen.
Peter Ellguth: Betriebliche und überbetriebliche Interessenvertretung - Ergebnisse aus dem IAB-Betriebspanel 2005, in: WSI-Mitteilungen 3/2007.