Quelle: HBS
Böckler ImpulsInnovation: Entwicklung made in Germany
Deutschland kann sich als Standort für Forschung und Entwicklung gut behaupten. Sowohl einheimische als auch ausländische Unternehmen haben ihre Ausgaben kräftig aufgestockt.
Gleich mehrere Motive treiben große Konzerne dazu, Forschung und Entwicklung (FuE) zu internationalisieren, analysiert Heike Belitz, Wissenschaftlerin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): Sie müssen ihre Produkte und Prozesse an die Bedürfnisse und Wünsche von Kunden im Ausland anpassen, was meist vor Ort am besten geht. Aber sie suchen auch in ausländischen Hochschulen, Labors und Unternehmen nach neuem technologischem Wissen. Dabei sind sie an einem möglichst guten Verhältnis von qualifiziertem Forschungspersonal, Kosten und Rahmenbedingungen interessiert.
Welche Wege die Internationalisierung von FuE-Leistungen in den vergangenen Jahren genommen hat und wie der Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland im Wettbewerb dasteht, hat die DIW-Forscherin anhand internationaler Statistiken zu Ausgaben für FuE untersucht. Dabei griff sie auf Daten für den Zeitraum von 2001 bis 2009 zurück, neuere liegen noch nicht vor.
Belitz’ Fazit: Es gibt „keine Anzeichen für eine Verlagerung von FuE-Aktivitäten ins Ausland. Deutschland behauptet sich vielmehr als starker internationaler FuE-Standort mit einem Zuwachs der FuE-Aufwendungen multinationaler Unternehmen“. Insbesondere die „gut ausgebildeten Fachkräfte“ und das „sehr differenzierte Forschungssystem“ machten die Bundesrepublik für forschende Unternehmen aus dem In- und Ausland attraktiv, so die Wissenschaftlerin.
Ein Drittel Wachstum. Im Jahr 2009 wendeten international aktive deutsche Unternehmen im Inland gut 30 Milliarden Euro für FuE auf. Hinzu kamen mehr als 15 Milliarden Euro, die ausländische Unternehmen am Forschungsstandort Deutschland investierten. Trotz globaler Wirtschaftskrise lagen damit 2009 die Ausgaben sowohl der deutschen als auch der ausländischen Konzerne um etwa ein Drittel höher als 2001.
Gleichzeitig sanken die FuE-Aufwendungen der heimischen Konzerne im Ausland leicht – von 11,9 auf 11,3 Milliarden Euro. Daher kam die Bundesrepublik unter dem Strich auf einen positiven Saldo: Die Investitionen ausländischer Unternehmen in Deutschland lagen um rund vier Milliarden Euro höher als die entsprechenden Ausgaben deutscher Konzerne im Ausland. Der Trend ist konsistent, auch wenn die FuE-Aufwendungen von Jahr zu Jahr erheblich schwanken können, so die DIW-Forscherin. Gründe für diese Volatiliät: Der Ver- und Ankauf von Unternehmensteilen oder Fusionen, bei denen auch Forschungslabore den Eigentümer wechseln.
Auslandsanteil rückläufig. Entsprechend ist der Auslandsanteil bei den FuE-Ausgaben deutscher Unternehmen gesunken: Von 35 Prozent 2001 auf 27 Prozent 2009. In der Industrie, für die es differenzierte Daten gibt, unterscheiden sich die Niveaus und Trends je nach Branche. Den höchsten Internationalisierungsgrad hat die deutsche Pharmaindustrie. Das Verhältnis von FuE im In- und im Ausland lag während des vergangenen Jahrzehnts in der Tendenz bei 50:50, weil die Unternehmen ihre Ausgaben in beiden Bereichen kräftig angehoben haben. Der Auslandsanteil in der Automobilindustrie, die absolut am meisten Geld für FuE ausgibt, liegt hingegen nur bei einem Fünftel. Und er sank zuletzt leicht. Denn während die Investitionen in Deutschland deutlich zulegten, stagnierten sie jenseits der Grenzen. Ähnlich sieht das Bild im Maschinenbau aus. In der Elektrotechnik und der Chemischen Industrie sank der Auslandsanteil ebenfalls. Allerdings verbirgt sich dahinter ein Rückgang der FuE-Aufwendungen insgesamt, der im Ausland stärker ausfiel als im Inland.
USA und Österreich stark, Osteuropa und China im Kommen. Die Vereinigten Staaten sind der wichtigste ausländische Forschungsstandort für deutsche Industrieunternehmen. 2009 gaben sie in den USA 3,8 Milliarden Euro aus – ein gutes Drittel ihrer gesamten internationalen FuE-Aufwendungen. Es folgen Österreich (1,3 Milliarden Euro), Frankreich (0,9 Milliarden) und Großbritannien (0,4 Milliarden). Da viele Staaten in Asien und Osteuropa keine Zahlen veröffentlichen, konnte DIW-Forscherin Belitz ihren Anteil an den internationalen Ausgaben der deutschen Industrie nicht beziffern. Hilfsweise wertete die Wissenschaftlerin daher Statistiken des Europäischen Patentamts aus. Es verzeichnet, wenn deutsche Unternehmen Patente anmelden, an denen mindestens ein Erfinder aus dem Ausland beteiligt war. Auch nach diesen Daten dominieren die klassischen Zielländer USA und Westeuropa mit einem Anteil von etwa 85 Prozent. Allerdings haben deutsche Unternehmen ihre FuE-Aktivitäten in den großen Schwellenländern, insbesondere China, und in Osteuropa während der vergangenen Dekade merklich ausgebaut.
Heike Belitz: Internationalisierung der Unternehmensforschung: Neue Standorte gewinnen an Bedeutung (pdf), in: DIW-Wochenbericht 18/2012.