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Mitbestimmung: Eine To-do-Liste für die EU

Ausgabe 13/2024

Die nächste EU-Kommission formiert sich. In Sachen Beschäftigten- und Mitbestimmungsrechte gibt es für sie einiges zu tun.

Dass Ursula von der Leyen auch an der Spitze der nächsten EU-Kommission stehen wird, gilt als ausgemacht. Allerdings reicht es nicht, dass ein Personalvorschlag von einer Mehrheit der Regierungen unterstützt wird. Die Chefin wird vom EU-Parlament gewählt und auch ihr Kabinett braucht die Zustimmung der Abgeordneten. Ende des Jahres soll die fünfjährige Amtszeit der neuen Kommission beginnen. Und zu tun gibt es einiges. Das I.M.U. hat zusammengestellt, was sich im europäischen Recht ändern muss, damit die Beteiligung der Beschäftigten nicht unter die Räder kommt. I.M.U.-Expertin Maxi Leuchters macht dabei drei große Baustellen aus: die Rechte Europäischer Betriebsräte (EBR), die Mitbestimmung im Aufsichtsrat und das Thema nachhaltige Unternehmensführung.

Rechte für Eurobetriebsräte ausweiten

Wenn Unternehmen in grenzüberschreitenden Angelegenheiten Entscheidungen treffen, ohne den EBR anzuhören, hat das heutzutage kaum Konsequenzen. Hier wären nach Auffassung des I.M.U. „scharfe Sanktionen“ nötig, solche Unternehmen könnten etwa von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. EBR sollten zudem „Zugang zu Rechtsmitteln haben, sodass sie in der Lage sind, als Rechtsperson gegen Unternehmen gerichtlich vorzugehen“. Wenn ein Unternehmen die Voraussetzungen zur Gründung eines EBR erfüllt, sollten die Verhandlungen zu seiner Einrichtung in Zukunft automatisch beginnen. Bei bestimmten Unternehmensentscheidungen sollte der EBR grundsätzlich angehört werden. 

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Mitbestimmung wirkt

Zahlreiche Studien belegen, dass Unternehmens- wie betriebliche Mitbestimmung viele positive Wirkungen entfalten – für Beschäftigte, Unternehmen und die Gesellschaft insgesamt. Eine Zusammenstellung als PDF.

Genauer geklärt werden müsste laut I.M.U., welche Informationen im Unternehmen als „vertraulich“ eingestuft werden können. Denn mit dem Hinweis auf die Vertraulichkeit bestimmter Informationen wird der EBR in der Praxis häufig umgangen. Der EBR brauche weiterhin ein Recht auf Zugang zu allen Unternehmensstandorten. Zu präzisieren seien auch die Regeln, nach denen sich bestimmt, welches nationale Recht bei der Wahl des EBR angewandt wird – damit Unternehmen nicht einfach das „für sie günstigste Rechtssystem wählen“ können. 

EBR sollten mindestens zweimal jährlich tagen müssen, wobei Gewerkschaften das Recht zur Teilnahme haben sollten. Sie sollten zudem Anspruch auf Nutzung und Finanzierung externer Beratung haben und die Belegschaften hinsichtlich Geschlecht und Alter angemessen repräsentieren. Die Liste der Themen, zu denen der EBR angehört werden muss, ist um den Komplex Nachhaltigkeit zu erweitern. Schließlich gilt es sicherzustellen, dass EBR-Mitglieder genug Zeit für ihre Vertretungsarbeit bekommen. Zu diesen Punkten liegen Vorschläge zur Veränderung der EBR-Richtlinie vor, deren Umsetzung das EU-Parlament anstoßen sollte.

Mitbestimmung im Aufsichtsrat schützen

Für die Mitbestimmung im Aufsichtsrat sind EU-weite Mindeststandards nötig, die etwa dafür sorgen, dass nach einer Rechtsformänderung immer mindestens eine Vertreterin oder ein Vertreter der Beschäftigten im Aufsichtsgremium sitzt. Der Umfang der Beteiligung sollte außerdem mit der Beschäftigtenzahl steigen. Einmal erworbene Beteiligungsrechte müssen weiterhin gewährleistet sein, wenn Unternehmen die Rechtsform wechseln oder den Sitz verlagern. Unternehmen, die diese Regeln verletzen, sollten keine öffentlichen Aufträge mehr bekommen. „Schlupflöcher zur Umgehung der Mitbestimmung sollten geschlossen werden“, so das I.M.U. Dazu dürften Unternehmen sich der Mitbestimmung beispielsweise nicht mehr entziehen können, indem sie kurz vor Erreichen der Schwellenwerte bei der Beschäftigtenzahl in nationalen Mitbestimmungsgesetzen die Rechtsform wechseln und sich in eine Europäische Aktiengesellschaft (SE) umwandeln. 

Nachhaltigkeit vor kurzfristigem Profit

Das I.M.U. drängt darauf, ein „pluralistisches Verständnis des Unternehmensinteresses“ festzuschreiben: „Perspektiven für Arbeitsplätze und Standorte, Regionen mit einer hohen Lebensqualität und Arbeitnehmerbeteiligung haben Vorrang vor der Erwirtschaftung kurzfristiger Gewinne für Investoren.“ Es dürfe keine weitere Verschiebung der Kompetenzen des mitbestimmten Aufsichtsrats zur Hauptversammlung geben. Denn gerade Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten haben ein Interesse am langfristigen und nachhaltigen Unternehmensfortbestand. Beim Aufbau von Mechanismen zur Einhaltung der Lieferkettensorgfaltspflicht sind Betriebsräte einzubeziehen. Bei Investitionen müssen zwingend soziale Kriterien berücksichtigt werden.Vorstände sind auf Nachhaltigkeitskennziffern zu verpflichten. „Briefkastenfirmen“ sind zu verbieten.

„Gerade im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit, die an Bedeutung gewinnt“, so Maxi Leuchters, seien Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten im Aufsichtsrat „die wesentlichen Expertinnen und Experten. Sie tragen mit ihrer Erfahrung zur nachhaltigen Ausrichtung von Unternehmen bei“.

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