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HBS Böckler Impuls

Betriebsvereinbarungen: Die Warner mit der Trillerpfeife

Ausgabe 07/2006

Wer in Deutschland auf gravierende Probleme im Betrieb hinweist, riskiert seinen Job, denn gesetzlicher Schutz für solche "Whistleblower" existiert so gut wie nicht. Personal- und Betriebsräte können durch Betriebsvereinbarungen aus Whistleblowing verantwortungsvolle Risikokommunikation machen - zum Wohl des Unternehmens.

Für die einen sind Whistleblower moderne Helden, für die anderen Verleumder. Widersprüchlich ist das Urteil über Mitarbeiter, die Missstände im Unternehmen nicht klaglos hinnehmen, sondern zur Warnung gewissermaßen die Trillerpfeife blasen. Im schlimmsten Fall laufen sie Gefahr, hinausgemobbt oder entlassen zu werden. Selbst wenn sie Menschen und Unternehmen vor großen Schäden bewahren und vor Gericht Recht bekommen, müssen solche Warner mit sozialer Ächtung rechnen.

Warnung vor verborgenen Risiken
Nicht jeder, der etwas meldet, ist ein Whistleblower. Wer auf ein Problem hinweist, sorgt zunächst einfach für Schadensbegrenzung. Erst wenn seine Hinweise beharrlich ignoriert werden und der Hinweisgeber deshalb Diensthierarchien überspringt oder gar an die Öffentlichkeit geht, wird er zum Whistleblower. Üblicherweise warnt er oder sie vor Risiken, die nicht für jedermann erkennbar sind, zum Beispiel vor latent gefährlichen Produktionsbedingungen oder Produkten, vor Umwelt- oder Gesundheitsgefährdung, vor Korruption, Buchführungs- und Bilanzdelikten bis hin zur schweren Wirtschaftskriminalität.

Spätestens seit dem Jahr 2002 müssen sich viele deutsche Unternehmen des Themas annehmen - dann nämlich, wenn sie an US-Börsen gehandelt werden oder dort Töchter unterhalten. Denn in den USA müssen nach dem Sarbanes Oxley Act von 2002 Firmenchefs bis zu zehn Jahre Haft befürchten, wenn sie Hinweisen nicht systematisch nachgehen oder sogar Vergeltungsmaßnahmen gegen die Hinweisgeber zulassen. Beschleunigt hatte dieses Gesetz der Skandal um den Energieriesen Enron: Zwar machte eine Beschäftigte ihre Vorgesetzten auf schwere Missstände in der Buchführung aufmerksam; ihre Hinweise kamen jedoch zu spät, blieben außerdem unbeachtet. So brach Enron zusammen, die Altersversorgung der Arbeitnehmer war futsch. Auch in Deutschland gibt es immer wieder Skandale, die sich aufgrund von erfolgreichem Whistleblowing hätten vermeiden lassen können.

Betriebsrat kann Klima beeinflussen
Arbeitgeber schaden sich selbst, wenn das Klima im Betrieb so entmutigend ist, dass keiner es wagt, Hinweise zu geben. Hier kann der Betriebsrat ansetzen und "eine Kultur im Unternehmen mitgestalten, die es den Kolleginnen und Kollegen von vornherein leicht macht, intern Hinweise zu geben und grobe Missstände und Gefahren abzustellen", rät Rechtsanwalt und Mediator Björn Rohde-Liebenau. "Wo, wie derzeit am Arbeitsplatz, Ausstieg keine Alternative ist, wird es immer öfter nötig, die Stimme zu erheben. Darauf sollten Personal- und Betriebsräte vorbereitet sein, bevor um weitere Whistleblower ein Skandal gemacht wird statt um die Risiken, auf die sie dankenswerterweise hingewiesen haben." Wenn der Hinweisgeber sich schon mit dem Chef angelegt hat, kommt der Betriebsrat in der Regel zu spät. Doch er kann potenzielle Whistleblower vorher beraten und vor allem den Boden für eine sinnvolle Risikokommunikation bereiten.

Das gelingt mit einer Betriebsvereinbarung zum Umgang mit Risiken. Darin wird festgelegt, wer wem etwas meldet und was dann geschieht. Autor Rohde-Liebenau zeigt an einem Muster, wie solche Vereinbarungen aussehen könnten, wobei jeder Betriebsrat die Vorlage an sein Unternehmen anpassen muss. "Bei der eigentlichen Abfassung sollte rechtskundiger Rat gesucht werden. Das gilt zwingend für die Einzelfallberatung potenzieller oder tatsächlicher Whistleblower: Für sie geht es praktisch in jedem Fall um die Existenz", schreibt Rohde-Liebenau. Ziel des Betriebsrats sollte daher sein, Alternativen zu einer Kultur des Schweigens entstehen zu lassen.

  • Wichtige Elemente, die eine Betriebsvereinbarung zum Schutz von Whistleblower beinhalten sollte. Zur Grafik

Björn Rohde-Liebenau: Whistleblowing - Beitrag der Mitarbeiter zur Risikokommunikation, edition der Hans-Böckler-Stiftung 159, Düsseldorf 2005
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