Quelle: HBS
Böckler ImpulsMärkte: Die Macht der Monopolisten
Stagnierende Löhne bei hohen Gewinnen: Das ist die Folge enormer Marktmacht der Großunternehmen – nicht nur von Google & Co.
Große, technologisch führende, am Markt erfolgreiche Unternehmen könnten die ganze Volkswirtschaft mitziehen. Etwa, indem sie ihre Zulieferer und Dienstleister so vergüten, dass sie ihren Beschäftigten hohe Löhne zahlen können und damit Nachfrage für andere Unternehmen schaffen. Aber vor allem, indem sie Nachahmer auf den Plan rufen, die für weitere Beschäftigung und – durch die Konkurrenz um Arbeitskräfte – für steigende Löhne sorgen. Doch genau das geschieht in vielen Fällen nicht, sagt der in Barcelona lehrende Ökonomieprofessor Jan Eeckhout. Der Grund ist dem Forscher zufolge die in allen Sektoren der US-Wirtschaft, aber nicht nur dort, gewachsene Marktmacht weniger Unternehmen.
Marktmächtige, also praktisch konkurrenzlose Unternehmen beschäftigen weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, als sie es unter Wettbewerbsbedingungen täten. Statt die maximale Menge an Produkten zu günstigen Preisen anzubieten, fahren sie besser damit, hohe Preise – Monopolpreise – zu nehmen und auf einen Teil der möglichen Kunden zu verzichten. Zudem haben sie um ihr Geschäftsfeld meist Burggräben gezogen, die es anderen schwer machen, in den Markt einzudringen. So gibt es kaum oder keine Jobs bei potenziellen Konkurrenten. Falls es doch ernsthafte Wettbewerber gibt, werden sie häufig aufgekauft.
Dabei können die führenden Unternehmen durchaus aus funktionstüchtigen Wettbewerbsmärkten hervorgehen und die Verbraucher zunächst gerade mit niedrigen Preisen überzeugen. Das Problem mit dem Wettbewerb ist, in den Worten George Orwells, bloß: Einer gewinnt ihn. Amazon verdrängt längst nicht mehr nur Buchhandlungen, sondern Einzelhandelsgeschäfte aller Art – und macht trotz scheinbar niedriger Preise riesige Gewinne. In den USA vereinen Amazon und Walmart heute 30 Prozent der Einzelhandelsumsätze auf sich. Zum Vergleich: Als Ende der 1920er-Jahre die Firmen Sears und A&P zusammen auf drei Prozent kamen, löste das bereits große Besorgnis aus, die später Niederschlag in der Anti-Trust-Gesetzgebung fand.
Wie kommt Marktmacht zustande? Hier spielt zunächst technologischer Vorsprung eine Rolle. So vergehen beim spanischen Textilproduzenten Zara weniger als 15 Tage, bis ein neu entworfenes Kleidungsstück in den Geschäften hängt – ein Tempo, bei dem praktisch kein Konkurrent mithalten kann. Dann kommen Finanzkraft und die Kosteneinsparungen durch Massenproduktion hinzu. Am Ende wäre oft kein Wettbewerber mehr in der Lage, die nötigen Investitionen zu tätigen, um mit dem führenden Unternehmen mithalten zu können. Eine zweite Vertriebsinfrastruktur wie die von Amazon aufzubauen, wäre für Konkurrenten schwierig. Googles Vorsprung bei der Entwicklung von Übersetzungsprogrammen ist kaum aufzuholen, weil niemand sonst Zugriff auf so gewaltige Textmengen hat, an denen sich die Künstliche Intelligenz abarbeiten kann. Aber auch die Verbraucher haben nicht immer ein Interesse an einem größeren Angebot: Wer eine gebrauchte Uhr sucht, hat keine Lust, zehn verschiedene Portale zu durchstöbern, sondern schaut gleich bei Ebay.
Der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter prägte den Begriff von der „schöpferischen Zerstörung“. Demnach, erläutert Eeckhout, bringen marktmächtige Unternehmen die Entwicklung voran, verdrängen Konkurrenten, fallen ihrerseits aber wieder Nachahmern zum Opfer, die sie schließlich überflügeln. Zuletzt habe sich aber etwas anderes gezeigt: In vielen Märkten haben sich Winner-takes-all-Wettbewerbe herausgebildet und die führenden Unternehmen sind nicht mehr angreifbar.
Ablesen lässt sich die steigende Machtkonzentration in der Wirtschaft laut Eeckhout an den steigenden Gewinnaufschlägen: Verkauften US-Unternehmen ihre Produkte 1980 im Schnitt mit einem Aufschlag von 21 Prozent, lagen die Einnahmen 2019 um ganze 54 Prozent über den Produktionskosten. Dabei sind die Gewinnsteigerungen sehr ungleich verteilt: Für die Mehrheit der Firmen hat sich an den Aufschlägen praktisch nichts geändert, die oberen zehn Prozent konnten die Profite jedoch von 50 auf 150 Prozent erhöhen. In Europa und anderswo ist Ähnliches zu beobachten.
Zufolge Eeckhout sind politische Interventionen und Regulierungen nötig, um die wirtschaftliche – und letztlich auch politische – Macht der Big Player zu brechen. Beispielsweise, indem man sie zwingt, die Burggräben zuzuschütten und Konkurrenten vorzulassen. „Bevor es zu spät ist!“
Jan Eeckhout: The Profit Paradox, Princeton University Press 2021