Quelle: HBS
Böckler ImpulsQualifikation: Chance für mehr Weiterbildung verpasst
Qualifizieren statt entlassen - unter diesem Motto stand die Ausweitung der Kurzarbeit. Gerade von der Wirtschaftskrise getroffene Unternehmen haben die auftragsarme Zeit jedoch nicht für mehr Weiterbildung genutzt.
Die Idee ist so einfach wie plausibel: Wenn es wegen der konjunkturellen Flaute weniger zu tun gibt, könnten Beschäftigte die Zeit zur Fortbildung nutzen. Da die Unternehmen großes Interesse an qualifiziertem Personal haben, wäre zu erwarten, dass sie Weiterbildungsmaßnahmen nach Kräften fördern, um am Ende gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Doch tatsächlich hat weniger als ein Drittel der Betriebe seine - nicht staatlich geförderten - Weiterbildungsaktivitäten von Mitte 2008 bis Mitte 2009 ausgeweitet. Dies ist das Ergebnis einer Betriebsrätebefragung des WSI. Das Institut befragte gut 2.300 Betriebsräte in Betrieben ab 20 Beschäftigten. Die wichtigsten Ergebnisse:
Die Mehrheit hat ihr Weiterbildungsangebot unverändert gelassen. 69 Prozent der Betriebe, die nicht besonders unter der Krise zu leiden hatten, haben seit Juli 2008 nicht mehr, aber auch nicht weniger für Weiterbildung getan. In Betrieben, die nach Einschätzung der Betriebsräte von der Krise betroffen sind, lag die Quote derer, die ihre Fortbildungsanstrengungen unverändert ließen, bei 57 Prozent.
Krisenbetroffene Betriebe haben ihre Fortbildungsaktivitäten häufiger zurückgefahren. Das gilt für 24 Prozent der von der Krise gebeutelten Betriebe. Unter den nicht betroffenen Betrieben reduzierten nur 9 Prozent den Umfang der betrieblichen Fortbildung.
Damit "lässt sich sagen, dass die Krise sich eher einschränkend als fördernd auf die betriebliche Weiterbildung auswirkt", so WSI-Forscherin Claudia Bogedan. In Krisenzeiten konzentrieren Unternehmen sich auf ihr Kerngeschäft und scheuen die Kosten der Fortbildung: 46 Prozent der Betriebe, die Weiterbildung reduziert oder zumindest nicht ausgeweitet haben, waren Qualifizierungsmaßnahmen zu teuer. Neben dem Kostenargument spielt auch eine Rolle, dass es aus Arbeitgebersicht in vielen Betrieben keinen Bedarf gibt: Fast ein Drittel der Betriebsräte gab an, dass dem Arbeitgeber "unklar" sei, welche Bildungsaktivitäten nötig wären.
Oft fehle es an einer mittel- bis langfristigen Personalplanung, schreibt Bogedan. So existiere in 53 Prozent der Betriebe nicht einmal ein Personalentwicklungsplan. Immerhin hätten die Betriebe in der Krise aber auf vielfältige Weise versucht, Beschäftigung zu halten. Dies sei ein erster Schritt zu einer längerfristigen Planung, die künftig stärker um Fort- und Weiterbildung ergänzt werden könne. Denn der Nutzen von Weiterbildung ist Bogedan zufolge wissenschaftlich unumstritten.
Claudia Bogedan: Qualifizieren statt Entlassen - Betriebliche Weiterbildung in der Krise, in: WSI-Mitteilungen 6/2010